: Zerrissene Rosen
■ Maria Scholz inszenierte das Stück „Dreck“von Robert Schneider
Auf der Bühne sehen wir einen Stuhl, ein paar Kerzen und einen Eimer mit 50 Rosen. So armselig wie dieser Raum ist auch das Leben von Sad, dem Rosenverkäufer. „Manchmal warte ich zwölf Stunden, bis es acht ist“, und genau dieses Warten steht auf der Bühne. Es passiert nichts.
Sad ist die Figur aus dem Stück „Dreck“von Robert Schneider, das Regisseurin Maria Scholz im Schlachthof inszeniert hat. Er ist nach Deutschland gekommen, weil er die Sprache liebt. Doch nun wird er mit dem Haß und der Ablehnung der Deutschen und ihrer Kultur konfrontiert. „Ihr könntet mich fragen: „Hast du jemals unsere schneeblauen Berge bestiegen? Hast du unsere Kultur und unsere wunderbaren Denker jemals verstanden?“Doch niemand wird ihn fragen, denn niemand will, daß seine Augen und seine Füße über diese Schönheit wandern.
Er isoliert sich in einer Gesellschaft, die ihn isoliert. Drei Fotographien, die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend in der Heimat bilden den verbliebenen Rest seines Lebens. Wenn diese Bilder einmal ihre Wirkung verlieren, wird er sterben. Den seelischen Tod bereits vor Augen, steckt er diese Bilder wieder ein, um sie jederzeit griffbereit zu haben.
Und dann merken wir, daß er sich jeden Tag diese Gedanken macht. Er bereitet sich vor auf die Demütigungen in diesem Land. Erst nachdem er seine ganze Verzweiflung niedergeschrien hat, kann er mit der Kraft der Gleichgültigkeit aus dem Haus gehen. Aber damit hat er nicht nur seine Widersprüche und Verzweiflung überwunden, sondern auch seine Selbstachtung verloren. Welch ein Preis für 50 Rosen?
Friedo Stucke
Weitere Aufführungen sind in englischer Sprache geplant. Termine werden bekanntgegeben.
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