Zensur weltweit: Was gesagt werden muss!

Für die Meinungsfreiheit eröffnen sich im Zeitalter neuer Medien neue Chancen - und neue Grenzen. Denn zensiert wird in Diktaturen und in modernen Demokratien.

Demonstrierende in Iran werden mundtot gemacht Bild: ap

"Was darf man in Deutschland noch sagen?", fragte die Zeit am vergangenen Donnerstag. Jenseits der Debatte um moralische, politische und soziale Tabus fragt das Auslandsressort der taz in dieser Woche: Wo darf außerhalb Deutschlands was gesagt werden? Wo werden Journalisten, Blogger und Künstler in ihrer Arbeit beschränkt, verfolgt oder mit dem Tod bedroht? In den nächsten Tagen werden taz- Korrespondenten an dieser Stelle über Einschnitte und Beschränkungen der Presse-, Kunst- und Meinungsfreiheit in ihren Regionen berichten.

Zensur ist nicht nur ein Problem von Schurkenstaaten und Diktaturen, und sie kennt auch kein politisches Lager. Faschistische Regimes haben damit ihre Macht genauso zu sichern versucht wie kommunistische Diktaturen. Moderne Demokratien beziehen ihre Legitimation aus dem Recht des Einzelnen auf freie Meinungsäußerung, für dessen Missachtung sie andere Länder gern kritisieren.

Doch das scharfe Vorgehen von Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sakrozys gegen das Journal du Dimanche ist nur der jüngste Anlass, um auch die europäische Pressefreiheit zu hinterfragen. Die Wochenzeitung hatte Gerüchte über eine Ehekrise im Hause Sarkozy-Bruni publiziert. So will die EU-Kommission mit gezielter Pressearbeit einer kritischen Berichterstattung aus Brüssel vorbeugen. Schweden wiederum hat eines der liberalsten Pressegesetze, ließ aber bis vor Kurzem jeden neuen Film zensieren.

Internet und neue Medien machen es allerdings zunehmend schwerer, den Austausch von Information zu kontrollieren. Mit wachsenden Kommunikationsmöglichkeiten nimmt die Angst der Machthaber vor unliebsamen Inhalten zu. "Das Netz erkennt Zensur als Defekt und umgeht sie", lautet der viel zitierte Satz des US-Informatikers John Gilmore.

Doch nicht nur China und Iran haben jüngst bewiesen, dass die Möglichkeiten der Netzzensur fast ebenso vielfältig sind wie das Internet selbst. Ob das nun - wie im Iran - über das Herunterfahren von Servern geschieht oder über regelmäßige Screenshots wie in burmesischen Internet-Cafés, über das Filtern von E-Mails oder den Zwang zur Selbstzensur durch das Androhen von Strafen: Die Möglichkeiten der Zensur sind parallel zu den Möglichkeiten der Kommunikation gewachsen.

Dennoch hat die getwitterte Protestbewegung im Iran deutlich gemacht, dass der Informationsfluss trotz gewaltsamen Vorgehens des Staates gegen eine digital vernetzte Bevölkerung nicht ganz unterbunden werden kann. Und auch in China kann die staatliche Zensur mit Witz und Klugheit oft umgangen werden.

Doch Medien gelten nicht erst als Bedrohung, seit sie "neu" sind. Schon in den Anfängen der Demokratie war Zensur ein Mittel zur Erhaltung der Sittlichkeit. Im antiken Griechenland warnte Plato in seiner "Politeia" vor einem Sittenverfall durch schlechte Vorbilder. Im Zug dessen empfahl er auch gleich eine Zensur der "gotteslästerlichen" Passagen in Homers Schriften.

Was heute zum klassischen Bildungskanon gehört, galt unter Athens "freien Bürgern" als ebenso gefährlich wie heute so manchem der "rechtsfreie Raum" des Internets. Medien und Werte wandeln sich, dennoch ist die Menschheit 2.400 Jahre später nicht völlig verdorben. Das sollte heutigen Zensoren vor Augen führen, dass ihre Macht bestenfalls eine auf Zeit ist.

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