Zeitungsprojekt in der Ostukraine: Shkola Nomer 3

Die taz Panter Stiftung fördert SchülerInnen, die in der Ostukraine eine eigene Zeitung machen.

Auf der Feier am Donnerstag Abend (16.02.). Alina Kobernik (Mitte) und andere Mitglieder des Filmteams sprechen via Skype mit Regisseurin Yelizaveta Smith Bild: Anastasia Vlasova

von ARIANE LEMME

Manche drehen ja schon durch, wenn sie 18 werden. Ist auch ok. Endlich niemandem mehr verpflichtet. Zumindest glaubt man das. Und fast jeder dreht durch, wenn es einen ersten Preis auf der Berlinale gewinnt. Das ist mehr als ok, denn das gelingt sehr sehr viel weniger Menschen als volljährig zu werden.

Alina Kobernik aber hat beides gleichzeitig hinbekommen - und es dabei geschafft, auch noch völlig cool zu bleiben. Zumindest wirkt sie so, als sie auf ihrer eigenen Geburtstagsparty - im ersten Stock der taz - an ihrem Orangensaft nippt. Alkohol, sagt sie, mag sie eigentlich nicht so.

Auf der Berlinale gewonnen

An diesem Donnerstagabend weiß Alina Kobernik noch nicht, dass der Film in dem sie und zwölf andere ukrainische Jugendliche mitspielen in der Kategorie Generation 14+ auf der diesjährigen Berlinale gewonnen hat. Das erfahren sie erst einen Tag später. Kurz, bevor sie und die anderen in die Ukraine zurückfahren.

Alina und die anderen Darsteller des Films kommen aus Nikolajewka, einer Stadt mit 15.000 Einwohnern in der Ostukraine. Dort haben Yelizaveta Smith, Georg Genoux und Khrystyna Lizogub sie getroffen und über zwei Jahre begleitet. Nikolajewka wurde im Krieg, der in der Ukraine herrscht nicht Teil des großen Weltgeschehens, aber die Kämpfe haben die Welt der Kinder, der Jugendlichen umgewuchtet.

Schule Nummer 3, auf russisch Shkola Nomer 3, heißt der Film, in dem Alina und zwölf Altersgenossen ihre Geschichte erzählen, denn sie alle gehen auf diese eine Schule. Sie erzählen anhand von Gegenständen, kleinen Dingen, die pars pro toto für vieles andere stehen. Für die eine ist es eine alte Spitzengardine, die im ersten Moment nur daran erinnert, wie Kinder eine Hochzeit spielen - aber an diesem Ort, in diesem Fall - auch an den Spielgefährten, der gefallen ist im Kampf zwischen ukrainischer Armee und Separatisten. Ein Junge spricht über ein Schaf, das ihn an eine Frau erinnert, in die er sich verliebt hat.

Die einzig unabhängige Zeitung in Nikolajewka

Erstmals haben die jungen Darsteller ihre Geschichte im Frühjahr 2015 in einem von Georg Genoux inszenierten Theaterstück erzählt. Taz-Redakteur Daniel Schulz reiste damals nach Nikolajewka, um darüber zu schreiben. Berührt und bewegt davon initiierte er mit dem freien Journalisten und taz-Mitarbeiter Marco Zschieck ein zweites Projekt: Die einzig unabhängige Zeitung in Nikolajewka, geschrieben und gestaltet von den Kindern der Schule Nummer 3. Alina Chefin des Foto-Ressort bei Голоса Города, zu Deutsch „Stimmen der Stadt“. Die taz.panterstiftung bezahlt den Druck dieser Zeitung und sie spendiert auch die Feier an diesem Donnerstag Abend für Alina und ihre Freunde.

Der Gegenstand, den Alina mitbringt ist - und daran erinnert sich jeder, der den Film gesehen hat - eine Miniatur des Eiffelturms. Das Berührende und Wundersame daran ist, dass der eigentlich ein Gegenstand ist, der ihrem Vater viel bedeutet. Nie hat er das Original gesehen, aber liebevoll und von der kühnen Technik fasziniert sammelt er Nachbildungen. Alina erzählt, anders als viele der anderen Jugendlichen, nicht von ihren, sondern von den Träumen von jemandem, den sie liebt. Klar würde sie gern selbst reisen, die Welt sehen. Aber zugleich träumt sie für ihren Vater.

Trotzdem ist es sie, die jetzt hier im fast 750 Kilometer entfernten Berlin sitzt, umgeben von Freunden, dem Filmteam und ein paar Deutschen. Leuten, deren Sprache sie nicht versteht. Berlin ist nicht Paris, klar, aber ganz sicher nur ein Anfang. Denn auch wenn man sich mit 18 vielleicht schon ganz schön erwachsen fühlt - und, das haben Alina und die anderen im Film gezeigt - auch schon ziemlich weise und lebensklug sein kann, hat man doch noch so einiges vor sich.