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■ Zeitlos, global und unausrottbar: der SchluckaufAm besten neutrale Ignoranz

„Halte die Luft an und ... ... denke an drei Kahlköpfige! ... Dividiere 391 wahlweise durch 17 oder durch 23! ... Erinnere dich, was du vorgestern zum Frühstück gegessen hast? ... Halte dir die Ohren mit den Zeigefingern und die Nasenlöcher mit den Daumen zu! ... Trinke (egal was) in kleinen Schlucken, indem du die Lippen am gegenüberliegenden Gefäßrand ansetzt! (?) ... Sage langsam und bedächtig ,Schlick, Schlick, ek schlucke di'‘!“ Hick.

Die volkstümlichen Tips und Tricks, einen Schluckauf zu bannen, sind variantenreich und dienen letztlich doch bloß der Erheiterung hämischer Schluckaufloser. Wie der Ehrliche ist auch der Schluckaufbefallene immer der Dumme. Ein angeregtes Gespräch über Bakunin oder McAfee ist in Anwesenheit eines Schluckaufs beim besten Willen nicht aufrechtzuerhalten. Wie ungebetene Tresenbekanntschaften und unliebsame ArbeitskollegInnen mischt er sich ein und, hick, stört.

Die einzige Möglichkeit, ihn loszuwerden, ist neutrale Ignoranz. Erst in dem Moment, da wir einem Schluckauf jedwede Aufmerksamkeit verweigern, trollt er sich von dannen. Denn ein Schluckauf will schluckaufen. Warum er unwillkürlich unser Zwerchfell kontrahiert und nachfolgend unsere Glottis schließt, entzieht sich unserer Kenntnis. Und nervt.

Letzteres könnte allerdings ein Grund dafür sein, warum der sogenannte Singultus ein Singularetantum ist. Während ein vielfacher „Einlauf“ nur unangenehm und ein multipler „Zeitlauf“ zumindest (relativitäts)theoretisch denkbar ist, sind etwaige „Schluckäufe“ oder „-äufte“ derart unvorstellbar, daß wir es bereits ahnen: Es kann nur einen geben. Ja, man könnte tatsächlich auf den Gedanken kommen, ein Schluckauf sei nicht nur sprachlich ein Highlander. Schließlich haben nichtrepräsentative Feldstudien zweifelsfrei bewiesen: Der simultane Singultus kommt nicht vor; wo immer man sich mit einem Schluckauf, dem Schluckauf plagt, ist weit und breit kein zweiter.

Vergleichbar einer Stubenfliege, die wahllos von der Hundescheiße zum Leberwurstbrot, von der Klobürste zur Zahnbürste surrt, irrt auch der Schluckauf von Kreti zu Pleti über den Globus: Gerade noch zu Gast in Ulm, schon ist er, hick, in Ulan-Bator, eben noch in Uusikaarlepyy, schon in Wyk auf Föhr, und weiter geht's von Dublin nach Dubai, hick, vom Broadway nach Bratislava, hick, von Glasgow nach Gladbeck, von Laßnitz nach Las Vegas, von Frankfurt/Main nach Frankfurt/ Oder, oder, hick, auch nur in die Eckkneipe ein Stockwerk tiefer – und zwischendurch natürlich immer mal wieder auf Stipphickvisite zu mir.

Schneller als United Parcel Service (UPS) und Internet überwindet der Schluckauf Raum und Zeit, und bei Neandertalers war er wahrscheinlich schon ebenso zu Gast wie bei Louis XIV. und Uschi Glas. Er kennt sie alle und könnte bestimmt viele Geschichten erzählen von Atlantis, Jesus, Hitlers willigen Vollstreckern, wenn man ihn denn ließe. Doch statt dessen denken wir nur an uns selbst; an Yul Brunner, Kojak und, hick, Meister Proper, an 23 oder 17 und Nutella, besabbern uns mit Rotwein und fügen uns in unser Schicksal. Christoph Schultheis

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