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Zehntes olympisches GoldSekt oder Sibirien

Im Ziel schrie er seine Freude mit einem emotionalem "Deutschlaaaand" heraus: Der Triathlet Jan Frodeno.

Gold-Triathlet Frodeno auf dem Radl. Bild: ap

PEKING taz Irgendwann verschwand das Lächeln aus dem Gesicht von Jan Frodeno - aber nur für kurze Zeit. Als die Goldmedaille um seinen Hals baumelte und die deutsche Nationalhymne ertönte, ging er in sich. "In diesen 90 Sekunden", erzählte der Triathlon-Olympiasieger später, "läuft alles noch einmal wie ein Film ab, das ganze Leben." Vor allem die zurückliegenden zwei Stunden.

Nach 1.500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10.000 Meter Laufen hatte der gebürtige Kölner am Dienstag alle Favoriten hinter sich gelassen, darunter seinen Kollegen Daniel Unger. Im Zielsprint setzte er sich gegen Simon Whitfield durch. Der Kanadier hatte vor acht Jahren in Sydney dem Deutschen Stephan Vuckovic auf den letzten Metern noch die Goldmedaille weggeschnappt, jetzt lernte er selbst das Gefühl kennen, bei Olympia noch abgefangen zu werden. Dritter wurde Bevan Docherty aus Neuseeland, vor vier Jahren in Athen mit Silber dekoriert. Als Frodeno nach 1:48:53,28 Stunden das Ziel erreichte, ließ er sich auf den Rücken fallen. "Ich konnte es erst gar nicht glauben, was da abgelaufen ist. Das ist der Moment, der oft in meinem Kopf abgelaufen ist, von dem man geträumt hat, den ich mir so gewünscht habe. Ich hatte hundertmal, tausendmal davon geredet." Und in der Nacht zuvor, gab der 27-Jährige zu, habe er "nur zwei Stunden geschlafen", vor Aufregung.

Dann stand er mit einem Lächeln auf, ganz so, als ob ihm die Strapazen, die große Hitze nichts ausgemacht hätten, schrie laut "Deutschlaaand" heraus, ließ sich eine schwarz-rot-goldene Fahne reichen und wartete auf Unger. Lange waren beide gleichauf gewesen, aber am Ende der zweiten Runde hatte dann der stärker eingeschätzte Teamkollege das Tempo der Schnellsten nicht mehr mitgehen können und wurde mit knapp einer Minute Rückstand Sechster. Die Kraft reichte aber für Unger noch, um gleich den Kontrahenten aus dem eigenen Team, der auch ein guter Freund ist, zu umarmen. Frodeno stand bisher im Schatten von Unger. "Und der Schatten", stellte Frodeno fest, "ist immer größer geworden" nach dem Sieg des Bad Saulgauers bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr in Hamburg.

Frodeno hatte bisher keine großen internationalen Meriten gesammelt. Silber bei der EM und Platz sechs bei der WM im vergangenen Jahr waren seine größten Erfolge gewesen. Vor acht Jahren absolvierte Frodeno seinen ersten Triathlon, in Südafrika war das, seiner zweiten Heimat. Als er zehn Jahre alt war, wanderte die Familie nach Kapstadt aus. Der junge Frodeno lernte zuerst Wellenreiten, dann wechselte er zum Schwimmen, ehe er plötzlich "von dem bekannten Triathlon-Virus infiziert" wurde. 2004 kehrte er endgültig zurück nach Deutschland und in diesem Jahr richtete er alles auf diese Olympischen Spiele aus. Vor zwei Monaten verließ der Student der Betriebswirtschaftslehre die Wohngemeinschaft mit zwei anderen Triathleten im Saarland und zog in den Olympiastützpunkt Saarbrücken. "Ich habe mir ein kleines Zimmer genommen, eine Matratze auf den Boden gelegt, die olympische Fahne an die Wand gehängt und mich von Reis ernährt", erzählt er.

Sein Trainer Roland Knoll habe ihm viel beigebracht, "vor allem Renntaktik". Er verlor in seiner Karriere schon einige Rennen im Spurt. "Daraus zieht man seine Lehren", sagte er. Im Trainingslager vor Peking zusammen mit Unger und dem dritten deutschen Starter, Christian Prochnow aus Witten, "ist mir schnell klar geworden, dass es vorbei ist, wenn du bei der Hitze einmal überziehst." Frodeno hielt sich deshalb bei einem Zwischenspurt zurück, und kurz darauf war die Spitzengruppe mit vier Läufern wieder zusammen. Drei Athleten aus dem Kreis der Favoriten und der Olympia-Debütant aus dem Saarland. Auf der Zielgeraden waren es dann nur noch drei. Javier Gomez aus Spanien, Weltmeister 2008, hatte sich offenbar übernommen und konnte beim hohen Schlusstempo nicht mehr mithalten. Frodeno dagegen schon. Und als Whitfield versuchte, sich abzusetzen, wusste er, dass es nun Zeit ist, anzugreifen. "Ich sagte mir: Sieg oder Sibirien, Sekt oder Selters."

Sibirien wäre es sicher auch bei Silber oder Bronze nicht geworden. Und Sekt war vermutlich schon zuvor kalt gestellt worden, schließlich war Frodeno am Tag vor dem Triathlon-Wettkampf 27 Jahre geworden. Jetzt wurde aus der verspäteten Geburtsfeier mit den angereisten Eltern und Freunden eben eine Gold-Party.

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