FRITZ TEUFELS BEERDIGUNG : Zahnlücken
Der Platz vor der Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs ist mit den Restpersonen gefüllt, die nicht mehr in die Kirche passen. Ein Mann kommt dazu, der sich von den anderen, meist auch nicht gerade konventionell gekleideten Trauergästen auffällig unterscheidet. Er trägt ein rosa Baseballkäppchen, kurze Jeans, bei der man Angst hat, es könnte jeden Moment etwas hervorbaumeln, und Sandalen. Ein bisschen wie Fritz Teufel, wenn er nicht gerade zu Grabe getragen werden würde. Er trägt ein paar Tüten, die er an einem Baum abstellt, und als nach der Grabrede Ströbeles, die neben mir jemand mit „Mann, ist der Typ öde“ kommentiert, ein Song von Dylan aus einer wackligen Anlage über den Hof weht, da versucht er mit einer Ratsche ein bisschen mehr Rhythmus in die traurige Angelegenheit zu bringen.
Ein Friedhofswächter sieht die Friedhofsruhe gestört und möchte ihn des Friedhofs verweisen, aber das wäre auf dieser Beerdigung doch unpassend. Ein zehnjähriges Mädchen unterhält sich mit ihm über die großen Zahnlücken, die beide haben. Und nicht nur die beiden.
Dieter Kunzelmann allerdings hat noch alle Zähne. Dachte ich zumindest, aber dann schiebt er sie nach vorne. Als Kind beeindruckte mich mein Großvater damit, inzwischen weiß ich natürlich mehr. Kunzelmann begrüßt mich mit „Ah, där Välechä!“ Ich will gerade vor ihm niederknien wegen seines Bamberger Dialekts, den er so dehnt, dass man sich zwischen den Vokalen ein Bier holen könnte, als Bild von uns Fotos macht. Deshalb gebe ich das Vorhaben schnell wieder auf. Der Fotograf fragt mich nach meinem Namen. Natürlich sagt der ihm nichts, und deshalb hoffe ich, dass er ihn googelt. Dann steht morgen in Bild unter dem Foto: „Auch der CSU-Politiker aus dem Landkreis Main-Spessart Klaus Bittermann ist auf der Beerdigung Fritz Teufels.“ So viel zu Namensvettern.
KLAUS BITTERMANN