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Archiv-Artikel

ZYPERN: DIE TÜRKEI UND DIE EU VERSPIELEN EINE KULTURELLE ÖFFNUNG Ein schwerer Rückfall

Haben Stoiber, Merkel und Pofalla es nicht schon immer gesagt? Mit der Türkei ist kein Staat zu machen, zumindest kein europäischer. Mit ihrer Weigerung, sich mit Zyperns Vertreter an einen Tisch zu setzen, hat die Türkei alle Vorurteile bestätigt. Tatsächlich kann es nicht angehen, dass ein EU-Möchtegern-Mitglied zur Anerkennung eines anderen EU-Mitglieds nicht bereit ist. Ganz abgesehen von europäischen Normen zählen zum Kanon der Union gegenseitiger Respekt und freundschaftliche Beziehungen.

Doch auch wenn die Türkei derzeit alles unternimmt, um sich selbst aus dem EU-Beitrittsprozess zu verabschieden – an der jetzigen Lage sind die Europäer nicht ganz unschuldig. Als vor gut zwei Jahren ein Plan zur Wiedervereinigung Zyperns am Widerstand der griechischen Inselbewohner scheiterte, durfte die griechische Republik Zypern anschließend dennoch ihre Aufnahme in die Union feiern. Diejenigen aber, die dem neuen Staat zugestimmt hatten, wurden dafür auch noch abgestraft: Die türkischen Zyprioten blieben wirtschaftlich isoliert und abhängig von Ankara.

Die EU erwarb mit dem Neu-Mitglied Zypern nicht nur einen hübschen Inselteil, sondern auch einen internationalen Konfliktherd, an dem sich schon Legionen von Diplomaten in den letzten 50 Jahren die Finger verbrannt haben. Dass die Türkei nun die von Brüssel versprochenen direkten Wirtschaftsbeziehungen der EU zu Nordzypern im Tausch gegen die Erfüllung ihrer eigenen Verpflichtungen gegenüber Europa verlangt, ist nur zu verständlich. Doch unglücklicherweise hat das eine mit dem anderen kaum etwas zu tun. Und, noch fataler: Die Zyperngriechen verhindern bisher einen besseren Status für ihre türkischen Nachbarn. Kein sehr feiner Zug Europas.

Scheitern die Verhandlungen zwischen Brüssel und Ankara an Zypern, ist das nicht nur für Europa ein gewaltiger Rückschritt. Es drohte ein Rückfall der Türkei in die schon überwunden geglaubte chauvinistische Vergangenheit. Dann beraubt sich Europa einer kulturellen Öffnung zum aufgeklärten Islam, und die Zyprioten können ihre Hoffnungen auf eine Wiedervereinigung endgültig in den Wind schreiben. KLAUS HILLENBRAND