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ZWISCHEN DEN RILLEN

 ■  Die Musik in den Zeiten der Unruhe

Es war 1967, da brachte eine Rockgruppe namens Jefferson Airplane einen der faszinierendsten Songs der Rockgeschichte heraus: White Rabbit. Ein suggestives Crescendo in direkter Nachfolge von Ravels Bolero, das nur einen Nachteil hatte: es war viel zu kurz. Viele Leute nahmen das Stück deshalb gleich mehrmals hintereinander auf Tonband auf, um auch genügend Zeit zum Abheben zu haben Feed your head, wie es so treffend hieß.

„Die Musik eines wohlgeordneten Zeitalters ist ruhig und heiter, und so ist seine Regierung. Die Musik eines unruhigen Zeitalters ist erregend und hitzig, und seine Regierung ist pervertiert.“ So sprach der chinesische Philosoph Lu Pu-We, und Jefferson Airplane zitierte diese profunde Weisheit auf einem ihrer Plattencover. Grace Slick, Paul Kantner, Marty Balin, Jack Casady und Jorma Kaukonen waren eindeutig Kinder eines unruhigen Zeitalters. Sie teilten Schläge gegen das Empire aus, bezeichneten sich als Outlaws of America, versuchten, die Revolution herbeizusingen, predigten freie Liebe, gaben massenhaft Freikonzerte, bekamen Ärger mit ihrer Plattenfirma, weil die Worte shit und fuck in ihren Songs vorkamen, und die US-Regierung verbot ihnen, in Süd-Vietnam aufzutreten. „Sie fürchteten wohl, wir würden den Leuten sagen, daß jeder, der nicht kämpfen will, sein Gewehr niederlegen und abhauen soll“, mutmaßte Kantner zu Recht. Altamont, wo Marty Balin von Hell's Angels verprügelt wurde, als er von der Bühne stieg, um die aufkeimende Aggressivität zu schlichten, war auch für sie das vorläufige Ende ihrer Illusionen. Sie gingen zeitweise getrennte Wege, spielten in wechselnden Formationen und fanden sich nun, 22 Jahre nach White Rabbit, wieder in der Originalbesetzung zusammen, um eine Platte mit dem schlichten Titel Jefferson Airplane herauszubringen.

„Ich glaube, daß eine 35jährige Person, die noch immer die Mentalität und die Wünsche einer Zwanzigjährigen hat, traurig ist“, sagte Sängerin Grace Slick 1970. Nun gehen sie mit ihrem Outfit und ihrer Geisteshaltung von Zwanzigjährigen schon zügig auf die fünfzig zu, und es ist kein bißchen traurig. Geradezu rührend, wie Marty Balin inbrünstig den Summer of Love besingt und trotzig verkündet, daß er immer noch an all die Lieder, all die Worte, all die Menschen glaube. Kantner beschwört nach wie vor die Revolution, die mittlerweile allerdings in etwas weitere Ferne, nach Nicaragua, gerückt ist, und sogar einen Ladenhüter des real-inexistenten Ex-Sozialismus haben sie ausgegraben: Bertolt Brechts Solidaritätslied, das sie ungeniert mit ihrer eigenen Musik versehen, ohne auch nur einen Gedanken an die Urkomposition von Hanns Eisler zu verschwenden.

Nicht nur äußerlich und geistig, auch musikalisch sind sich Jefferson Airplane in beeindruckender Weise treu geblieben. Hitzig und erregend dahinbrodelnde Melodien, virtuos Kaukonens Gitarre, gekonnt die Rhythmuswechsel, brillant der multi-harmonelle Gesang von Kantner, Balin und Slick. Zwischendurch, Lu Pu-We möge es verzeihen, auch ruhige und heitere Stücke. Dazu intelligente Texte, kurz ein Meisterwerk. Und für die Zeile But the castles on the Rhein, never seem to mind the time sei Grace Slick sogar der Vers Oh Panda Bear - my gentle friend, I don't want to say goodbye aus dem abschließenden Song Panda verziehen - im übrigen ein sehr schönes Lied.

Matti Lieske

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