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Archiv-Artikel

ZWEIDEUTIGER NAME ALS TOURISTENRENNER Zum Kurzbesuch in Fucking

NEBENSACHEN AUS OBERÖSTERREICH

Das europäische Markenamt (HABM), ansässig im spanischen Alicante, gilt als bierernste Behörde. Bierernst im wahrsten Sinne des Wortes, war auch eine delikate Angelegenheit, mit der sie sich im vergangenen März befassen musste. Nach vermutlich kontroverser Diskussion entschied sie zugunsten einer bayerischen Brauerei, die ihren Gerstensaft „Fucking Hell“ nennen wollte. Die Eintragung als Marke, so das HABM, dürfe nicht dadurch vereitelt werden, dass der Name „in anderen Sprachen zweideutig“ sei.

Produziert wird das umstrittene Helle in der oberösterreichischen Ortschaft Fucking. Um das im Bezirk Braunau im Innviertel gelegene Fucking ist in den letzten Jahren ein wahrer Kult ausgebrochen. Die Ortstafeln mussten besonders fest einbetoniert werden, nachdem Souvenirjäger immer wieder zugeschlagen hatten. Wiederholt wurden Paare erwischt, die vor der Ortstafel taten oder andeuteten, wozu der Name in englischer Aussprache auffordert.

Ganze Busse mit Touristen aus den USA haben ein Fotoshooting am Ortseingang fix in ihre Route eingeplant. Kürzlich rief sogar ein Talkmaster im US-Fernsehen live beim österreichischen Touristeninformationsbüro an und erkundigte sich beim arglosen Fremdenverkehrsmann nach der Infrastruktur der Ortschaft: „Is there a Fucking hotel?“ und „How is Fucking in winter?“. Nach der Gegenfrage: „When are you coming?“ legte er prustend auf.

Im 1.800-Einwohner-Flecken versteht man mit dergleichen Scherzen inzwischen umzugehen und schlägt Kapital daraus. Fucking ist längst eine Marke. T-Shirts mit dem Aufdruck der Ortstafel verkaufen sich blendend. Da konnte auch der literarische Ruhm nicht ausbleiben. In seinem jüngst erschienenen satirischen Roman „Bad Fucking“ beschreibt der Schriftsteller Kurt Palm blutrünstige Ereignisse, die sich in einer fiktiven Ortschaft dieses Namens abspielen – begünstigt durch die Absonderlichkeit, dass dort weder Internet noch Handysignal empfangen werden, weil das Dorf dank Pornofilter der Konzerne gleichsam nicht existent ist.

Wen wundert es, dass ein Referendum im Jahre 2004 mit einer klaren Mehrheit gegen eine Namensänderung endete. Schließlich trägt das Dorf den Namen seit 1070: jahrhundertelang unbehelligt. Und auch die Einwohner von Mösendorf oder St. Blasen in der Steiermark denken nicht daran, sich von ihrem Ortsnamen zu trennen, nur weil andere sich darüber lustig machen könnten. RALF LEONHARD