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Archiv-Artikel

ZUWANDERUNGSDEBATTE: DIE SPD APPELLIERT AN NIEDRIGSTE INSTINKTE Schnecken im Rückwärtsgang

Der Fortschritt ist eine Schnecke. Daran muss man ganz fest glauben, wenn man sich um eine Modernisierung der Migrationspolitik bemüht, wie jetzt der Zuwanderungsrat der tapferen Rita Süssmuth. Gut Ding will Weile haben, siehe etwa Homoehe. So betrachtet, also mit optimistischer Geduld, waren auch in der Zuwanderungsdiskussion der letzten Jahre positive Tendenzen zu erkennen.

Immerhin wurde die Realität nicht mehr stur geleugnet und die Integration von 7 Millionen Mitbürgern als richtig und wichtig erkannt. Der Ton der Migrationsdebatte hat sich – im Vergleich zur ekelhaften „Asylanten“-Hatz der 90er-Jahre – versachlicht. Alle Seiten schienen bereit dazuzulernen. Die Grünen sprachen mehr als früher über die Probleme, die Union sprach mehr als früher über die Chancen, die sich aus dem inzwischen kaum noch bestrittenen Faktum Einwanderung ergeben.

Nur die langsamste aller Schnecken, die SPD, hielt sich aus dem Thema so weit wie möglich raus. So viel ihr Innenminister Otto Schily auch über Sicherungshaft und Auffanglager schwatzen mochte: Meist wurde er von Parteifreunden gebremst. Bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz beschränkten sich die Sozialdemokraten so gut wie ganz aufs Moderieren. Ihr Ziel, so schien es, war einzig und allein das Kompromiss-Zustandebringen. So war lange Zeit kaum sichtbar, in welche Richtung sich die SPD selbst eigentlich bewegt. Nach den Reaktionen auf den Bericht des Zuwanderungsrats ist klar: Die SPD kriecht rückwärts.

In ihrer Hilflosigkeit gegenüber den Opelanern und Karstädtern appelliert die SPD an niedrigste Instinkte. 25.000 neue ausländische Fachkräfte im nächsten Jahr kommen nicht in Frage, „weil das in der Tat niemand verstehen würde“. Bei über 4 Millionen Arbeitslosen! Die Empfehlungen der Süssmuth-Experten mögen ihre Fehler haben. Wer sie aber mit derart simplen Argumenten ablehnt, wie es der SPD-Politiker Wiefelspütz tut, braucht sich nicht zu wundern, wenn am Ende nur die uralte Botschaft hängen bleibt: Ausländer nehmen uns die Arbeit weg! Dass Süssmuth nur solche Arbeitsplätze mit Migranten besetzen will, für die es keine Deutschen gibt? Dass qualifizierte Migranten Arbeitsplätze schaffen? Egal. LUKAS WALLRAFF