ZUSAMMEN AM MORGEN : Neue Lügen
„Immer fehlt dir irgendwas.“ – „Da hast du schon Fetakäse und Oliven, aber kein Brot.“ Dabei hatte ich Brot. Nur waren es kleine, in Plastik eingeschweißte Scheiben. Wie im Flugzeug, und das war dann auch wieder nicht richtig. Alles war wie früher und doch anders. Ein bisschen besser. Und dann plötzlich überhaupt nicht mehr. So erkennt man sich immer wieder. Und den anderen nicht. Dann verliert man wieder sich selbst. Und das ist ein Hin und Her, ein Geben und Nehmen von sich. Und was für ausgedachte Personen kommen denn dann am Ende dabei heraus? Also nimmt man nur das, was man kennt, die alte Stelle hinter dem Ohr. Die alte Tonlage. Die alten unverständlichen Sätze. Die alten Vorwürfe. Nur die Lügen werden neu, wenn man sie wiederholt. Alles war nichts, oder? Aber da ist noch was, oder? Vielleicht nur die Wut. Das Wollen. Vielleicht nur das Zuhause.
„Was ist denn hier zum Duschen?“ – „Das Grüne.“ – „Deine Dusche ist blöd.“ Ja. „Du bist auch blöd.“ Die Gasflamme für das Wasser zündete im Takt zur Musik. Und das war das größte Glück an diesem Morgen. Und die Tür zum Bett, die man plötzlich zumachen musste, um zu telefonieren.
„Aber das war doch unsere Trauer.“ Aber es war doch vorbei, oder? Wir suchen noch immer, oder? Es ist der Gestank der bleibt. Unter dem Bett. „Kannst du mir einen Tee machen?“ – „Steht doch schon neben dir.“
Und beim Blick aus dem Fenster war da plötzlich die neue Fantasie von dem neuen Menschen. Die absolut absurde Idee von dem Leben einer fremden Person in einer nie gesehenen Wohnung und ihrer fremden Morgenzeremonie. Ohne Geruch, aber mit Wirkung. Auf der Straße dann roch es wieder nur wie in meiner Welt. Und das Fahrradschloss hatte plötzlich einen Splitter für meine Haut. „Du und ich, wir sind jetzt in dieser Situation. Und wir selbst sind unser Einsatz.“ LAURA EWERT