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Archiv-Artikel

ZUGEFLOGEN Schöne Wörter

Die Schrumpelsalbe hatte sich in meinem Kopf eingenistet

Mit Wörtern verhält es sich wie mit Menschen. Manche laufen einem zufällig über den Weg und bleiben nicht lange. Aus den Ohren, aus dem Sinn. Andere können einen in Aufruhr versetzen oder zumindest beunruhigen. Neulich saß ich häkelnd auf dem Sofa, und weil meine Augen auf die Handarbeit gerichtet waren, wurde das Fernsehprogramm zum Hörspiel. Da vernahm ich plötzlich in einer Werbepause das Wort Schrumpelsalbe. Vor Schreck fiel mir eine Masche von der Nadel. Dieses Wort hatte ich noch nie gehört. Sollte Salbe nicht dazu da sein, Haut schön glatt und geschmeidig zu machen? Schrumpelsalbe aber klang nach den aufgerissensten Fersen und rauesten Ellenbogen der Welt.

Kaum hatte ich die fallen gelassene Masche wieder aufgenommen, warf ich einen Blick auf den Fernseher und merkte, dass ich mich verhört hatte. Die Schrumpelsalbe entpuppte sich als Schrundensalbe. Auch dieses Wort hatte ich noch nie gehört. Es gefiel mir, weil es so schön antiquiert klang. Doch die Schrumpelsalbe hatte sich in meinem Kopf eingenistet. Ich bin mir sicher, sollte ich einmal in einer Apotheke Schrundensalbe verlangen müssen, dass mein Mund dann garantiert das Wort Schrumpelsalbe hervorbringen wird. Ich kann es, ehrlich gesagt, kaum erwarten.

Am lustigsten sind oft Wörter, die es eigentlich gar nicht gibt. Pollerkruste zum Beispiel. Das begegnete mir das erste Mal vor einigen Jahren auf dem Markt in Friedrichshain. Pollerkruste nennt sich dort ein Mehrkornbrot mit dunkler Kruste, das ich gut finde und oft kaufe. Es kostet mich jedes Mal Überwindung, dieses nach Beton klingende Wort zu gebrauchen. Beim letzten Marktbesuch hielt ich am Brotstand erschrocken die Hand vor den Mund und sagte zu der Verkäuferin: „Ich war gerade drauf und dran, Pullerkroste zu sagen.“ Wir haben beide herzlich gelacht. BARBARA BOLLWAHN