ZEHN MILLIARDEN EURO FÜR FUSIONSREAKTOR BESCHLOSSEN : Imitation der Sonne wird überflüssig
Eines der größten zivilen Forschungsprojekte der Menschheit nimmt ihren Lauf. Nach jahrelangen Verhandlungen wurde gestern der Staatsvertrag zum Fusionsreaktor ITER unterzeichnet. Fünf Milliarden Euro soll der Bau kosten, noch einmal so viel der Betrieb. Man will die Sonne imitieren: Durch Kernfusion im Kraftwerk soll der Menschheit eine unbegrenzte, saubere Energie zur Verfügung stehen. Sowohl dieses simple Denken wie auch die Baukosten sind von Umwelt- und Forschungspolitikern oft kritisiert worden. Mit Recht. Es wird geschätzt, dass 75 Prozent der öffentlichen Mittel für Energieforschung in den letzten 50 Jahren in die Atomkraft geflossen sind – mit äußerst mickrigen Resultaten. Wäre die gleiche Summe in alternative Energien investiert worden, könnten wir heute über instabile Ölstaaten und Klimawandel wahrscheinlich nur noch milde lächeln.
Aber die Atomlobby ist früher wie heute nun einmal besser politisch verzahnt – schon aus militärischen Gründen, aber auch aufgrund der Konzernmacht. Darüber zu lamentieren bringt den Verfechtern der erneuerbaren Energien wenig. Der grüne Sektor wird noch einige Jahre so weiter wachsen müssen wie derzeit, um eine ähnliche Schlagkraft wie die Konkurrenz der etablierten Großunternehmen zu entwickeln.
Die Milliarden für den ITER sind also weg. Die Hoffnung dabei ist: Vielleicht kommt es auf dieses Geld gar nicht mehr an. Denn die vielgerühmten Investoren sind inzwischen auf den Trend der „sauberen Energien“ aufgesprungen. Unter den Gebern von Risikokapital, vor allem in den USA, sind erneuerbare Energien inzwischen der heißeste Tipp. Manche vergleichen diese Begeisterung gar schon mit dem Internetboom. Die Privatinvestitionen in regenerative Energien steigen dramatisch, laut Schätzungen wird die 50-Milliarden-Euro-Grenze in diesem Jahr erreicht. Das sind zwar nur knapp zehn Prozent der weltweiten Energie- investitionen, aber immerhin. So werden die Erneuerbaren rentabel und der ITER ist ein kleiner Sonnenfleck, der einmal leuchten mag oder auch nicht. REINER METZGER