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ZDF-Film über SterbehilfeVerschiebung der Altlasten

In Friedemann Fromms "Komm, schöner Tod" (22.15 Uhr, ZDF) werden Senioren lieblos abgefertigt. Dieses Schicksal ähnelt dem des Films.

Cordula (Leslie Malton) und Sebastian von Werding (Dietrich Hollingerbäumer) feiern ihr Sterbehilfeunternehmen. Bild: ZDF / Julia Terjung

Eines Tages möchte Friedemann Fromm zu Hause sterben, im Kreise seiner Lieben und möglichst ohne Schmerzen. Das Gegenteil hat sich wohl noch niemand gewünscht, aber dem 49-Jährigen ist diese durch einen Todesfall in der Familie gewonnene Erkenntnis wichtig, hat sie doch seinen zur gleichen Zeit entstandenen Film „Komm, schöner Tod“ beeinflusst, diesen nach einem eigenen Drehbuch entstandenen, „sehr, sehr persönlichen Blick“ auf Tod und Sterbehilfe in einer nahen Zukunft, in der demente Alte durch Berlin irren und ein findiger Unternehmer mit einem Sterbehilfeinstitut Abhilfe schaffen will.

„Meine private Erfahrung hat an manchen Punkten die Schärfe rausgenommen, das Harte“, sagt Fromm. „Am Ende geht es nicht mehr um Pflegestufen, um gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern ganz simpel um die individuelle Eins-zu-eins-Beziehung, darum, dass jemand Ihre Hand hält, um so etwas Pathetisches wie Liebe.“ Lassen wir das kurz sacken.

Friedemann Fromm hat also mal wieder einen Film gedreht – nach mehreren „Unter Verdacht“-Krimis (Deutscher Fernsehpreis, Grimme-Preis), der Dokudramasaga „Die Wölfe“ (International Emmy Award, Grimme-Preis) und der DDR-Familienserie „Weissensee“ (Deutscher Fernsehpreis). Fromms Arbeiten gehören zum Besten, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat, Intendanten müssten ihm unentwegt Rotwein schicken. Fromms neuer Film „Komm, schöner Tod“, eine Regina-Ziegler-Produktion nach dem Roman „Die Erlöser-AG“ von Björn Kern, läuft trotzdem nicht zur Primetime, sondern erst nach dem „heute-journal“ – nur zwei Stunden später, aber eben genau die zwei Stunden später, in denen am meisten ferngesehen wird. Fromms Vermutung: Es liegt am Thema. Es liegt aber wohl auch am Film.

Über die tatsächlichen Gründe der Verschiebung von „Komm, schöner Tod“, ursprünglich offenbar für den ungleich prestigereicheren 20.15-Uhr-Termin bestellt, darf munter spekuliert werden. Von ZDF-Chefredakteur Peter Frey gibt es auf taz-Nachfrage nur ein dürres Statement: „Sterbehilfe ist ein schwieriges Thema, für das man den richtigen Sendeplatz finden muss. 22.15 Uhr am Gründonnerstag zu Beginn der Osterfeiertage ist ein hervorragender Sendeplatz, der diesem vielschichtigen Film sicher gerecht wird.“ Ein großer Fan scheint Frey nicht zu sein – auch wenn Fromm es anders darstellt: „Frey mag den Film. Die Besprechungen waren immer konstruktiv.“

Dass Frey als Informationsverantwortlicher des Senders überhaupt für einen reinen Spielfilm zuständig ist, liegt daran, dass „Komm, schöner Tod“ wie schon „Die Wölfe“ ein Projekt der der Chefredaktion unterstellten Redaktion Zeitgeschehen ist. Waren in „Die Wölfe“ immerhin noch zehn Minuten Dokumaterial je Film verarbeitet, hat Fromm bei „Komm, schöner Tod“ bewusst darauf verzichtet – und so einen noch von Freys Vorgänger Nikolaus Brender abgesegneten Fremdkörper geschaffen, mit dem dieser nun umgehen musste. Über die Motive der Verschiebung habe Frey mit ihm nicht gesprochen, sagt Fromm. „Die Sendeplatzfrage sei „überhaupt nicht diskutiert“ worden. „Uns wurde lediglich der neue Sendeplatz mitgeteilt.“

Verletzte Egos

Die Aufregung war erwartbar groß, wie immer wenn Egos verletzt werden. Der zuständige Redakteur Heiner Gatzemeier machte nicht weniger als die „Mutlosigkeit des Systems“ für die aus Sicht der Macher unwürdige Programmierung verantwortlich.

Dieser Vorwurf gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen hierzulande ist nie ganz falsch, greift in diesem Fall aber zu kurz, denn „Komm, schöner Tod“ mag Friedemann Fromms persönlichster Film sein, ist aber sicher nicht sein bester. Die Entscheidung, ihn nicht zur Primetime zu zeigen, ist nachvollziehbarer als der lieblose Umgang damit. Ein „Märchen“ nennt ihn Fromm, „ich wollte keinen journalistisch-bierernsten Film machen, sondern eine leichte, poetische Annäherung mit Spaß an der Überzeichnung.“

In Kombination mit einer leider nicht zustande gekommenen Doku hätte das womöglich sogar funktioniert, auf sich allein gestellt jedoch wirkt „Komm, schöner Tod“ gemessen an seinem Gegenstand unverhältnismäßig drollig. Fromm weiß um die Ambivalenz der Reaktionen. „Der Film ist Geschmackssache“, sagt er, „gerade weil Humor darin eine unerwartet große Rolle spielt.“ So habe er erreichen wollen, dass „auch Zuschauer sich diesem Thema öffnen, das sonst ja starke Abwehrreflexe auslöst – auch bei mir selbst“.

Sauer über Sendeplatzwechsel

Fromm war auch deshalb so sauer über den plötzlichen Sendeplatzwechsel, weil er für 22.15 Uhr einen anderen Film gemacht hätte, einen, „in dem ich die Poesie sehr viel stärker mit dem heute schon realen Schrecken des Alltags in deutschen Pflegeheimen kontrastiert hätte“. Aber den Film „auf seiner dunklen Seite noch weiter zu öffnen“, das habe er so gar nicht erst versucht, sagt Fromm, „denn das geht um 20.15 Uhr definitiv nicht“. Bitte, wer sagt das?

Die Aussage zeigt: Fromm ist kein Revoluzzer, hat die Grenzen akzeptiert und verinnerlicht, die das deutsche Fernsehen abgesteckt hat und versucht, das Beste daraus zu machen. Dass die Kritik am Umgang mit „Komm, schöner Tod“ trotzdem so laut geworden ist, hat damit zu tun, dass Redakteur Heiner Gatzemeier, der sich mit diesem Projekt in den Ruhestand verabschiedet, beim ZDF nichts mehr zu verlieren hat, aber auch mit Fromms Ärger darüber, dass seinem Film nun ohne sein Verschulden das „Gschmäckle“ der Abschiebung anhaftet und andauernd Journalisten von ihm ein Statement zur Umprogrammierung hören wollen. „Ich will aber über den Film sprechen, nicht über den Sendeplatz“, sagt er. „Das viel wichtigere Thema fällt so oft hinten runter.“

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