piwik no script img

YouTube muss Video sperrenDavid gegen Google

Ein spanischer Vater zwingt Google in die Knie - Videos, auf denen sein geistig behinderter Sohn gedemütigt wird, müssen von der Plattform YouTube verschwinden.

Erst eine öffentliche Protestwelle führte dazu, dass YouTube die Filme aus dem Netz nahm. Bild: dpa

MADRID taz José Martín Roldán kann es kaum glauben. Er hat als David gegen einen virtuellen Goliath gewonnen. Der 70-jährige Rentner aus Mostoles, einem Vorort der spanischen Hauptstadt Madrid, zwang Google dazu, mehrere Videos aus YouTube zurückzuziehen. Die Filme zeigten José Martíns 46-jährigen Sohn Román. Der schwer geistig behinderte Mann wird von Unbekannten gedemütigt und versucht sich verzweifelt zu wehren. Seine Peiniger bemalen ihn, zwingen ihn zu Liegestützen, beschimpfen Mutter und Vater. Seit Mittwoch 15:24 Uhr ist Schluss damit. Nachdem Berichte in der spanischen Presse eine Welle von Protestmails auslöste, sperrte YouTube die Videos. War dies zuerst noch im Web vermerkt, ist jetzt keine Spur des Vorganges mehr zu finden.

Vater Roldán war im Juni 2007 auf die Filme aufmerksam geworden, als einer seiner acht Söhne beim Surfen durch YouTube zufällig auf die Mitschnitte stieß. Die Dateien waren bereits 2006 veröffentlicht worden. Die Videos sind vermutlich von Jugendlichen aus dem Stadtteil der Roldáns aufgenommen und veröffentlicht worden. Denn Román bewegt sich trotz seiner schweren Schizophrenie alleine in seinem Viertel.

Vater Roldán schickte monatelang immer wieder Emails an die einzige Adresse, die er auf der YouTube-Seite finden konnte. Er verlangte, dass die Videos gesperrt würden. "Ich schickte ihnen eine Kopie des Attests, das beweist, dass Román schwer krank ist und ich noch immer das Sorgerecht für ihn habe." Vergebens. Die Filme waren weiterhin bei YouTube zu sehen. "Die Videos sind geschützt", lautete die einzige Antwort von YouTube. Roldán beschloss Anzeige auf dem Amtsgericht in Mostoles zu erstatten. Die Ermittler für Online-Kriminalität der spanischen Polizei nahmen ihre Arbeit auf. Der spanische Beauftrage für Bürgerrechte und die Datenschutzbehörde schritten ebenfalls ein.

Google zog einzelne Videos zurück. Doch erst der Gang an die Öffentlichkeit bewirkte die endgültige Sperrung auch des letzten Filmes. "Wenn Videos nicht mit der Politik von YouTube in Einklang stehen (Diskriminierung, Gewalt, etc.) werden sie zurückgezogen. Es reicht, dass ein User einen Video für nicht angebracht hält, damit dieser kontrolliert und gegebenenfalls gesperrt wird", heißt es jetzt aus der Google-Zentrale. Vater Roldán sei an der Verzögerung selbst schuld, da er ein entsprechendes Antragsformular, das ihm zugemailt wurde nicht ausgefüllt habe. "Ich habe ihnen alle möglichen Unterlagen gemailt, während sie weiterhin gegen unsere Rechte verstoßen haben. Jetzt spielen sie sich auch noch als Richter auf und wollen die Regeln bestimmen?" empört sich Roldán.

Der Vater von Román will jetzt herausfinden, wer hinter den Usern steckt, die die Videos eingestellt haben, um sie rechtlich zu belangen. Aber auch gegen Google will er weiterhin vorgehen. "Sie sind mitverantwortlich", erklärt er. Sein Anwalt werde prüfen, in wie weit dies juristische Folgen habe.

Es ist nicht das erste Mal, dass YouTube in Spanien für Diskussionen sorgt. Immer wieder tauchen Filme aus Schulen auf, in denen Schüler ihre Kollegen mobben oder gar zusammenschlagen. Auch Lehrer werden Opfer der Filmwut. Und heute berichtet die spanische Tageszeitung ABC, die maßgeblich den Fall Roldán öffentlich machte, über Videos aus Valencia. Dort wird gezeigt wie Heroinabhängige für etwas Kleingeld Insekten schlucken, sich ausziehen und in Pfützen wälzen oder sich die Haare schneiden lassen.

Auch so manche Bürgerinitiative macht sich das Video-Portal zu Nutze. Anwohner der Calle Montera im Zentrum Madrids verlangen seit Jahren die Videoüberwachung ihres Viertels, um so die Straßenprostitution und den Drogenhandel zu verscheuchen. Da die Behörden bisher nichts unternommen haben, greifen sie jetzt selbst zur Kamera. Seit einer Wiche stellen sie bei YouTube Videos ein, auf denen Freier und Nutten zu sehen sind. Die Datenschutzbehörde ermittelt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!