: „You can take a pinkelpause now!“
■ ... und andere fidele Bemerkungen zu Fiedel und Whisky, gehört beim„Scottish Folk Festival“ in der Glocke
Am Anfang war natürlich der Dudelsack. Wie anders hätte man sich den Auftakt des „Scottish Folk Festival '96“ am Freitag in der Glocke auch vorstellen können als mit einem berockten dudelnden Jüngling unter dem Transparent der sponsernden Whisky-Marke und einem älteren Herrn, der nach dem Gedudel das Festival mit sonorer Stimme für eröffnet erklärte, kumpelhaft mit dem Publikum witzelte und die einzelnen Acts vorstellte. Dieser Herr hieß Davy Steele und ist seines Zeichens selbst eine Ikone der schottischen Volksmusik – obwohl seine wenigen musikalischen Gastspiele an Kleininstrumenten und Gesangsmikro eher „Das krieg ich auch noch hin“-Grübeleien als Ehrfurcht weckten. Vertrauensvoll weißes Haar und wahrscheinlich authentischer Spirituosenbauch machten das allerdings wett; mehr braucht's zur Ikone nicht.
Eigentümlicherweise blieben die beiden Top-Klischees Dudelsack und Schottenrock nach dem Intro weitestgehend abstinent, so daß im Publikum tatsächlich mehr Männerröcke als auf der Bühne gesichtet wurden. Nämlich ganze zwei. Obwohl sich der Verdacht erhärtete, daß einer ihrer Träger zum Clan der allgegenwärtigen Whisky-Promoter zählte, wurde er doch mit Glas in der Hand stets in unmittelbarer Nähe des Verkaufsstandes gesichtet, wo sich Wiß- und Erfahrungsaustauschbegierige um ihn scharten. Dort wurde dann gefachsimpelt über die 100 verschiedenen Whisky-Sorten Schottlands, unter denen sich allerdings nur sechs Classic Malts befänden, welche man nach dem Konzert im Foyer käuflich erwerben könne. Nicht alle konnten sich jedoch für die malzigen Klassiker erwärmen. „Ich bleib trotzdem Biertrinker, ey!“ erklärte stolz ein junger Fußballfan, der mit irischem Fußballschal zum Festival gekommen war. Er hatte sich auf einer Schlachtenbummelei mit irischen Sportsfreunden verbrüdert und bei feuchtfröhlicher Gelegenheit deren Musik schätzengelernt. Der alkoholische Rausch schien gerade bei jüngeren Besuchern ein Hauptkriterium für den Konzertbesuch zu sein. Es wurden bereits Zukunftspläne geschmiedet: „Als nächstes kommt erst drei Tage Koma!“ schwärmte ein anderer junger Mann mal wieder ,Rock am Ring' – drei Tage Koma!“ schwärmte ein anderer junger Mann im Sweatshirt mit modisch-keltischen Symbolen seiner kleinen Freundin vor.
Die ZuschauerInnen mittleren Alters, die den Großteil des in mäßiger Anzahl erschienen Publikums ausmachten, wollten auch ihren Spaß, suchten den allerdings eher auf der Bühne als am Getränkestand. „Total lustig“ fanden sie die gestandeneren Acts und „richtig nett, näch“ die jüngeren Bands wie „Seelyhoo“, die frappierende Ähnlichkeit mit der „Kelly Family“ aufwiesen. Rekrutiert aus der eigenen Verwandtschaft, und weder Zeit sich zu rasieren, noch die Haare zu schneiden oder das Hemd vernünftig in die Hose zu stecken.
Die MusikerInnen bemühten sich denn auch redlich, stets nett und lustig zu sein. Besonderes Gejohle ernteten sie mit dem uralten Trick, auf Deutsch zu radebrechen und ganz süße Fehler zu machen. Ebenfalls beliebt: Erwähnung des Wortes Pinkeln in englischen Sätzen („You can take a pinkelpause now“ etc.) und Geschichten über den Zusammenhang zwischen Gastwirtschaft und Eheleben: „Er will in die Stadt gehen für Trinken und Spaß treiben. Aber die Frau sagt: Nein.“
Gewisse wiederkehrende Begrifflichkeiten im Vokabular der Folkmusik aus Schottland und umzu bekam selbst der Laie schnell mit. Wer trotzdem mit Begriffen wie Rigs und Jigs, Reels und Triplets nichts anzufangen wußte, bekam immerhin mit, daß die meisten Songs von irgendwelchen Lochs handelten. Davon gibt es eine Menge in Schottland, und „Loch B“ läge neben „Loch D“, wie Akkordeonvirtuose und Bryan Adams-Lookalike Phil Cunningham zu erklären wußte. Cunningham war sicherlich der musikalische Höhepunkt des Festivals. „Paß auf, der spielt wahnsinnig schnell, dafür ist der ganz bekannt!“ instruierte ein Fachmann seine Begleitung vor dem Auftritt, Die amüsanten Darbietungen von Cunningham und seinem fiedelnden Partner Aly Bain entschädigten kurzzeitig für die Musikantenstadl-Mentalität der Veranstaltung.
Andreas McNeuenkirchen
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