YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN : Revolution und Korruption
Auf Kuba vergraben die Eliten schon jetzt Geldpakete für die Zeit nach der Revolution. Der Staat raubt den Staat aus, und die Bürger schauen machtlos zu, wie die Schatztruhen ausgeräumt werden
Die Korruption ist viel gefährlicher als die sogenannte interne Dissidenz“, schreibt Esteban Morales, ein der kubanischen Regierung nahestehender Akademiker, auf der offiziellen Website der kubanischen Künstler und Autoren. Es geht um das heikle Thema des Abzweigens von Ressourcen und des Diebstahls als Form der Bereicherung von Angestellten und Funktionären. Der Staat wird vom Staat selbst ausgeplündert.
Obwohl es schon lange zu den Methoden des täglichen Überlebens gehört, Material aus Fabriken und Firmen Richtung Schwarzmarkt abzuzweigen, hatte sich das nie so sehr wie jetzt auf alle Ebenen der Gesellschaft ausgedehnt. Morales schreibt: „Es gibt Leute in staatlichen Positionen, die sich heute finanziell auf den Fall der Revolution vorbereiten, und andere, die so gut wie alles bereit haben, um die staatlichen Besitztümer in Privateigentum zu überführen, so wie es in der ehemaligen Sowjetunion passiert ist.“
Solche Sätze hätte man noch vor wenigen Jahren nie veröffentlichen können. Es ist sehr schwierig, diese verbreitete Praxis der Unterschlagung und des Diebstahls auszurotten, denn sie allein ermöglicht es vielen Familien, über die Runden zu kommen. Jahrelang drückten die Behörden ein Auge zu, weil ein Bürger, der den Staat beklaut, eine Stimme weniger ist, die sich öffentlich aufregt. Doch inzwischen sind einige Betriebsleiter in Untersuchungshaft. „Die Korruption entpuppt sich als die wahre Konterrevolution“, schließt Professor Morales seinen Artikel.
Wer allerdings weiß, welches Stadium von Fäulnis wir inzwischen erreicht haben, dem wird diese Feststellung etwas verspätet vorkommen. Einige machen sich bereit, ihre olivgrüne Uniform gegen Anzug und Krawatte des Unternehmers einzutauschen, und dafür brauchen sie möglichst viele Mittel. Es ist diesmal nicht der Feind aus dem Norden, der kommt, um den Prozess zu zerstören, sondern das Gespenst der Deskontrolle, das die Revolution von innen ausgehöhlt hat. Sie hat die Stützen weggefressen, die sie noch immer trugen.
■ Die Autorin lebt als Bloggerin in Havanna Foto: dpa