YOANI SÁNCHEZ POLITIK VON UNTEN : Manfred hätte es bemerkt
Ein ums andere Mal hat Kubas Regierung Manfred Nowak abgewimmelt. Im Oktober endet sein Mandat als UN-Sonderberichterstatter über Folter. Yamil und Antonio haben im Gefängnis umsonst auf ihn gewartet
Zum ersten Mal hörte ich seinen Namen Mitte November. Ein Gefangener rief mich aus Canaleta an, dem Hochsicherheitsgefängnis 400 Kilometer von Havanna. Wir warten auf Manfred, sagte er mir, und als er den Nachnamen aussprechen wollte, war die Leitung durch ein langes Geräusch unterbrochen.
Zwei Tage später erzählte mir ein anderer Gefangener, dass Bettlaken ausgeteilt worden seien. Für Mitte November wurde der Besuch des Sonderberichterstatters über die Folter der UN-Menschenrechtskommission, Manfred Nowak, auf Kuba erwartet, und in den Strafvollzugsanstalten des Landes hielten Neuerungen Einzug. Die Pavillons für den schnellen Sex wurden mit Wasserspendern ausgestattet, Gottesdienste erlaubt, die Telefonzeiten eingehalten. Das finstere Image dieser Orte musste aufgebessert werden, bevor Manfred Nowak kommt.
Die Erwartungen wuchsen, besonders unter jenen, die den feuchten Boden einer Zelle kannten und den stechenden Schmerz eines Schlagstocks in den Rippen. Viele erwarteten, ihm von den Krämpfen berichten zu können, die eine als „Shakira“ bekannte Foltermethode auslöst, bei der der Gefangene an Händen und Füßen mit einer Kette hinter dem Rücken gefesselt ist und nur seine Hüften bewegen kann. Yamil wollte von seiner ungerechten Verurteilung zu zehn Jahren berichten, Antonio vom dunklen Loch, in dem man kaum aufrecht stehen kann und wo er einen Monat lang gefangen war. Und Diosdado würde von dem Jungen erzählen, den die Wärter so prügelten, dass ihm die Speiseröhre riss und er starb. Dutzende Opfer, die den Horror kennen gelernt hatten und bereit waren, davon zu berichten, erwarteten den Experten.
„Terminschwierigkeiten“ führten die kubanischen Behörden an, um der UN mitzuteilen, dass der Besuch verschoben werden müsse. Die Gefangenen schluckten. Nichtsdestotrotz schöpften sie neue Hoffnung, als der Besuch des Sonderberichterstatters im Februar unmittelbar bevorzustehen schien. Manfred wird es bemerken, dachten hunderte von Gefangenen – und er wird sich nicht von der eilig aufgebrachten Tünche auf diesem Justizvollzugssystem blenden lassen. Niemals zuvor war ein Name in den Gängen der Gefängnisse dieser Insel so oft wiederholt worden. Ein Stoßgebet an diesen Österreicher, der seit fünf Jahren die Aufgabe hat, die Dramen hinter Gittern aufzudecken, wurde zum Allgemeingut.
Doch Manfred Nowak kam nicht. Sein dritter Versuch, kubanischen Boden zu betreten, traf auf neue Ausflüchte – vielleicht zum letzten Mal, im Oktober endet sein Mandat. Unser Justizvollzug brauche keine Genehmigung, sagen Kubas Regierende.
Die Stoßgebete in den Kerkern sind verstummt. Vermutlich wird Manfred Nowak weder im als „Combinado del Este“ bekannten Zuchthaus noch in den heruntergekommenen Anlagen von Agüica und am allerwenigsten in Canaleta unter Beweis stellen müssen, dass er Inszenierung vom realen Geschehen zu unterscheiden weiß. Er hätte das bemerkt, wiederholen jene ein ums andere Mal, die sich Hoffnungen gemacht hatten. Vielleicht haben die Regierenden ihn deshalb nicht hereingelassen.
■ Die Autorin lebt als Bloggerin in Havanna Foto: dpa