■ Wundersame Wissenschaft: Der Glaube bestimmt viele Theorien
Selbstverständlich kann man Wunder zu einer Art Scheidewasser machen: Katholisch ist, wer an sie glaubt, wer nicht, steht draußen. Denn da der Papst an Wunder glaubt und dies zur Grundwahrheit des Katholizismus gehört, kann Katholik nur sein, wer an Wunder glaubt.
Doch so einfach ist es eben nicht. Und es ist auch nicht nur eine Definitionsfrage. In der Bibel zum Beispiel taucht das Wort Wunder nicht ein einziges Mal auf, und doch stehen sie immer wieder im Zentrum. Da geht es um „Zeichen“, um „Machttaten“ oder um „Großtaten“ seitens der Propheten und Jesus. Erst die spätere Kirche hat daraus „Wunder“ gemacht, indem sie sie als „Eingriff“ Gottes in die Naturgesetze darstellte. Jesus werden im Neuen Testament an die dreißig solcher „Eingriffe“ nachgesagt. Was solche „Wunder“ so bedeutsam macht, ist aber nicht ihre Konsequenz etwa für die Natur, die dem Eingriff unterliegt, sondern das Zeichen, das damit gesetzt wird.
Heute sind für uns solche „Eingriffe“ schon alleine deshalb kaum mehr akzeptabel, weil wir glauben, so ziemlich alles lasse sich naturwissenschaftlich erklären. Als es noch keine Naturwissenschaft gab, glaubten die Menschen, so ziemlich alles, was geschieht, sei direkter Einwirkung Gottes zu danken. Wir heute glauben, alles sei rational erklärbar. Wir glauben es, wissen es aber nicht. Das sollten wir uns immer mal wieder klarmachen.
Tatsächlich erfordert alleine unser Glaube an die Erklärbarkeit durch die Wissenschaft im Grunde schon mindestens so viel Naivität wie der Glaube unserer Vorfahren an den allmächtigen Gott. Wir glauben nicht mehr einer unsichtbaren Macht, dafür aber irgendwelchen Menschen, die wir gar nicht kennen, die sich aber Wissenschaftler nennen und uns weismachen, sie könnten alles bündig erklären. Wir glauben Theorien und Postulaten, die uns als ewig geltend vorgesetzt werden, die wir aber nicht im geringsten verstehen, ja oft nicht einmal vom Blatt ablesen können. Von einer wirklichen Erklärung kann keine Rede sein.
Der deutsche Physiker und Nobelpreisträger Werner Heisenberg hat das einmal frappierend einfach erklärt: „Der Glaube an Wunder erfordert eine einzige Grundvoraussetzung, die Annahme eines wunderwirkenden Wesens. Der Glaube an die wissenschaftliche Erklärbarkeit dagegen erfordert Hunderte von Glaubensentscheidungen, weil ich unzählige Gesetze, deren Gültigkeit ich ja nie alle überprüfen kann, voraussetze, also an sie glauben muß, ohne daß sie mir wirklich bewiesen wurden.“ Bernardo Calabrese
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen