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WühltischAn Barbies Busen

■ Als Sammelobjekt für Erwachsene erobert das Plastikglück neue Märkte

Barbie ist echt sauer. Jahrzehntelang war Ken ihr treuester Begleiter. Nett und adrett, ohne mit der Plastikwimper zu zucken, spielte er bereitwillig den Mann von Welt. Doch in diesem Jahr bahnt sich Ärger an, denn Ken ist nicht ganz so dumm, wie er aussieht. In seinem Plastikhirn rumort es, und sein waches Vinylauge hat entdeckt, daß Barbie nicht mehr die einzige Gummischönheit im Regal ist. Nur ein paar Schachteln weiter liegen die Plastikversionen von Karen Moulder, Claudia Schiffer und Naomi Campbell. Deutlich preisgünstiger und weitaus anspruchsloser in der Ausstattung, stellen sie eine Versuchung für Ken und die KäuferInnen dar. Doch mehr als einen one-night stand wird es wohl nicht geben, denn auch die Supermodels können Barbie nicht verdrängen.

Ihre überraschende Karriere begann 1959. Ruth und Elliot Handler, die damaligen Inhaber der amerikanischen Firma Mattel, entdeckten auf einer Deutschlandreise „Lilli“, die Hauptfigur eines Bild-Zeitungs- Cartoons, die aufgrund ihrer Popularität als Puppe nachgebildet worden war. Das Ehepaar erwarb die Rechte an Lilli. Die Beine wurden gestreckt, der Busen ins Atomare verformt – Barbie was born.

Heute stöckeln über eine Milliarde Barbies durch die Kinderzimmer, und auch in diesem Jahr stellen sich wieder Tausende von Müttern und Vätern die Frage: Kaufe ich sie, oder kaufe ich sie nicht? Seit rund 35 Jahren gilt das Plastikglück für Kinder bei PädagogInnen, Feministinnen und aufgeklärten Eltern als verfemt.

Elterliche Versuche, das liebe Kind von der pädagogisch korrekten Wollpuppe im Ethnolook oder den naturreinen Holzklötzchen zu überzeugen, scheitern meist. Barbie, Barbie- Haus, Barbie-Boot, Barbie- Auto müssen her. Aber das ist noch nicht alles: Die Sucht nach dem blonden Plastikglück breitet sich weiter aus. Längst berauschen sich nicht nur kleine Kinder und Ken am Busen unserer Barbie, sondern unaufhaltsam entwickelt sie sich auch für Erwachsene zum Kultobjekt. „Barbie collectibles“ heißt die Sammelserie, mit der nun diese neue Käufergruppe geködert wird.

Allerdings ist hier Barbie nicht gleich Barbie. Bleibt die kindgerechte Version, trotz aller Ähnlichkeit mit dem Playmate des Monats, eine Puppe zum Anfassen, An-, Um- und Ausziehen, befriedigt die Erwachsenenkollektion andere Bedürfnisse. Das Haus Mattel hat das Popikonenimage seines Verkaufsschlagers geschickt zu nutzen gewußt und Barbie zum Kunstobjekt für die Hausfrau gemacht – gestylt von Modehäusern wie Dior, Givenchy, Joop oder Donna Karan.

Der Sammlerkatalog bietet aber nicht nur Haute Couture, sondern endlich auch die kulturell korrekte Barbie: „Native American Barbie im traditionellen Pow-Wow-Kostüm, African Barbie in farbenfroher Tunika aus Kente-Gewebe“ oder die „Mexican Barbie in den Nationalfarben Rot, Weiß, Grün“. Nach diesen wahrlich originellen Zugängen zu fremden Kulturen überrascht es nun niemanden mehr, daß German Barbie im bayerischen Dirndl auftritt.

Für den Cineasten stehen die B-Movie-Versionen „Hollywood legends“ in der beleuchteten Vitrine des gutsortierten Spielwarengeschäfts: Barbie als Eliza Doolittle, Scarlett O'Hara oder als Raumschiff-Enterprise-Commander. Und für Omi gibt es Barbie in feinstem Porzellan für satte 849 Mark. Trotz dieses reichhaltigen Angebots bleibt es sicherlich die Entscheidung jedes einzelnen, ob eine der Trashikonen im heimischen Wohnzimmerregal glänzen soll oder ob Barbie in Kinderhand bleibt. Almut Siegert

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