■ Worum es bei der UNO-Debatte nicht geht: Die neue deutsche Frage
Der erste Tod eines deutschen Soldaten bei einem Einsatz im Auftrag der UNO ist für dessen Familie tragisch, für die Freunde schmerzlich – und er sollte für die politische Debatte um die Beteiligung der Bundeswehr an Blauhelmaktionen völlig unerheblich sein. Wenn stimmt, was Augenzeugen berichten, dann ist der Feldwebel von einem Betrunkenen erschossen worden, weil er durch eine Pfütze gefahren war und dabei den Täter naßgespritzt hatte. Dieser Anschlag ist weder, wie Außenminister Klaus Kinkel erklärte, ein Versuch, „das Bemühen der Weltgemeinschaft um eine friedliche Regelung von Konflikten zunichte zu machen“ noch wird durch ihn eine verfassungsrechtliche Klärung deutscher Beteiligung an UNO-Missionen „dringlicher“, wie der SPD-Politiker Karsten Voigt meint. Dringlich ist diese Klärung allemal. Aber sie muß nicht deshalb herbeigeführt werden, weil deutsche Militärs einem Risiko ausgesetzt sind, das auch für Entwicklungshelfer und Journalistinnen besteht. Im Gegenteil: Gefahr gehört zum Berufsbild des Soldaten. Der Tod des einzelnen wird dadurch nicht weniger schrecklich. Wer aber dieses Risiko grundsätzlich für unvertretbar hält, der muß die Abschaffung der Armee fordern und nicht eine genauere Definition ihrer Aufgaben.
Bestimmte Restriktionen in der Verfassung sind nicht zum Schutz der Soldaten ins Grundgesetz hineingeschrieben worden, sondern weil Deutschland in diesem Jahrhundert zweimal die Welt in einen Krieg gestürzt hat. Daran erinnern jedoch auch Gegner der deutschen Beteiligung an UNO-Einsätzen nur selten. Hier wird dem Zeitgeist gehuldigt: Eine politische Haltung mit den deutschen Verbrechen zur Zeit des Faschismus zu begründen, ist nicht populär.
Es gibt ehrenwerte Argumente für den Wunsch nach deutschen Truppen in UNO-Kontingenten: Die reiche Bundesrepublik dürfe die gefährliche Schmutzarbeit nicht allein anderen überlassen. Dagegen läßt sich einwenden, daß es in der humanitären Hilfe, die ebenfalls bedrohlich und schmutzig genug sein kann, noch genug zu tun gibt. Nun meinen Befürworter der deutschen Blauhelmeinsätze, erst durch militärische Operationen ließen sich vielerorts überhaupt die Bedingungen für humanitäre Hilfe schaffen. Hier gilt es genau zu unterscheiden: Kaum umstritten ist der Auftrag, den Frieden in einer ehemals umkämpften Zone zu sichern. So ist der Verzicht der Bonner Parteien auf neuen Streit um deutsche Blauhelme nach dem Tod des Feldwebels nicht allein als Zeichen des Respekts gegenüber dem Opfer zu werten, sondern speist sich auch aus der Erkenntnis, daß es um Einsätze wie den in Kambodscha bei der Kontroverse ja gar nicht geht. Ganz anders sieht es in Somalia aus, wo die UNO den Blauhelmen das weitestgehende Mandat ihrer Geschichte erteilt hat, nämlich den, Frieden eben notfalls auch mit Gewalt zu schaffen. Die Erfahrungen dort haben gezeigt, wie leicht es geschehen kann, daß die UNO in einem noch nicht beigelegten Konflikt vom Mittler zur Partei wird. Hier ist der Verweis auf die Besonderheiten der deutschen Geschichte zwingend geboten: Deutsche Soldaten sollten noch weniger als andere in den – berechtigten oder unbegründeten – Verdacht geraten, in einem Konflikt mitzumischen, der die Sicherheitsinteressen des eigenen Landes und seiner Verbündeten nicht berührt. Bettina Gaus
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