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Archiv-Artikel

Wollschweine

„Meine Gedanken sind wie Reisebekanntschaften“ vertraute Samuel Butler seinem Notizbuch an. „Zuerst kommen sie mir sehr angenehm vor, aber gewöhnlich stellt sich recht schnell heraus, dass sie mich langweilen.“

Der Leser seiner Sammlung von Aphorismen, kleinen Essays und Ideen wird diesen Eindruck nicht teilen können. Im Gegenteil. Durch die Unordnung des Butler’schen Sammelsuriums wird der Leseakt zum Hin-und-her-Springen. Und langweilt einen wirklich mal ein Gedanke, so tut er es sofort und nicht erst nach einiger Bekanntschaft. Folgt auf die beißende Satire ein banaler Spruch, so liest man einfach schnell woanders weiter. „So wie es nur ein Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen ist, ist es auch vom Lächerlichen zum Erhabenen nur einer“, schreibt Butler. Das gilt auch für seine Notizen. Recht dominant ist übrigens die Kritik am Geistlichen: „Glaube folgt, wie jeder andere bewegliche Körper, dem Weg des geringsten Widerstands.“ Die einzig wirklich blöde Idee, die Butler hatte, waren seine etwas hilflosen Versuche, das Sammelsurium zu ordnen.

Aber glücklicherweise wurden Ein- und Ausfälle der Notebooks nicht kategorisiert und indiziert. Vom Autor nicht und auch nicht von den Studenten um Manfred Pfister, die jetzt die erste ins Deutsche übersetzte Version der zwischen 1874 und 1902 entstandenen Texte herausgebracht haben. („Wollschwein und Tafelsilber“, Karl Sturz Verlag, 201 Seiten, 15,80 Euro). Zum Stichwort „viktorianisches England“ fallen einem gemeinhin Begriffe wie Borniertheit oder Verklemmtheit ein. Die Lektüre von Butlers respektlosen Aphorismen dürfte das ändern. Zum Abschluss des taz.mags über die Liebe soll deswegen Butler stehen: „Leben ist wie Lieben: Alle Vernunft spricht dagegen, aller Instinkt dafür.“