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■ Wolfgang Templin soll aus der Grünen Partei austretenGrenzgänger als Grenzfall

Parteiinterne Empfindlichkeiten sind von außen her immer sehr schwer zu durchleuchten. Bei der (Ausschluß-)Diskussion um Wolfgang Templin, wie er im Berliner Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen geführt wird, jedoch scheinen grundsätzliche Dinge im Spiel zu sein. Es geht nicht nur um politische Positionen, die aus dem nicht immer leicht fallenden Prozeß der Annäherung von Oppositionellen aus dem Osten und dem Westen herrühren. Es ist eine Auseinandersetzung, die an den Nerv des Selbstverständnisses des „linken Lagers“ in Deutschland rührt. Und deshalb hat der „Fall Templin“ schon jetzt mehr Fragen aufgeworfen, als bisher Antworten gefunden werden konnten. Die „Antwort“ lediglich auf der Ebene des Parteiausschlusses zu belassen wird, und das ist nicht schwer zu prognostizieren, niemandem dienlich sein. Weder den Bündnisgrünen noch Wolfgang Templin und schon gar nicht der notwendigen Debatte darüber, wie und mit wem relevante gesellschaftliche Themen zu diskutieren sind.

Denk- und Diskussionsverbote zu durchbrechen gehört zu dem Selbstverständnis und der Identität der Oppositionellen in der ehemaligen DDR, zu deren innerem Kreis Wolfgang Templin zu zählen ist. Anders als die Oppositionellen des Westens, die nach einem ähnlich gelagerten Aufbruch 1968 zwar Weltläufigkeit erlangten, jedoch nur allzu oft die Tendenz zeigten, sich im Gehäuse ideologischer Glaubenssätze einzurichten, hat die Opposition des Ostens gerade die leninistisch-marxistischen Denkansätze einer radikalen Kritik unterziehen müssen. Es kennzeichnet Wolfgang Templin als Politiker und Denker, daß er nach dem Fall der Mauer trotz der schon damals sichtbaren Widersprüche für ein Zusammengehen mit der Westopposition eingetreten ist. Sicherlich schwang dabei die Hoffnung mit, daß in einer neu entstehenden gemeinsamen Partei sich die positiven Momente beider Seiten verbinden würden.

Die Erfahrung war freilich eine andere. Die offene Atmosphäre in der Auseinandersetzung beider Oppositionsströmungen schwand um so mehr, je dichter das Netz der organisatorischen Vereinigung hin zum Bündnis 90/Die Grünen gezogen wurde. Viele Ost- Oppositionelle fanden sich mit ihrer unerbittlichen Aufrichtigkeit nicht nur in der eigenen Gesellschaft an den Rand gedrückt. Der Wunsch nach der freien Debatte über gesamtgesellschaftliche Themen wurde auch im neuen Bündnis eingeengt.

Die Lagermentalität zu durchbrechen und mit anderen gesellschaftlichen Strömungen, auch denen der Rechten, über das Thema Totalitarismus zu reden, erscheint in diesem Zusammenhang durchaus legitim. Daß dies bisher nur wenig geschehen ist, zeigt eher eine Schwäche der Westopposition als ihre Stärke an. Es hätte jedoch für Templin auch darum gehen müssen, diesen Prozeß der Auseinandersetzung mit den Rechten besser zu vermitteln. Und es wirft einen Schatten auf seine politische Redlichkeit, wenn der Eindruck aufkommen kann, die Kritik totalitären Denkens wäre lediglich gegenüber dem eigenen Lager durchzusetzen. Vielleicht unterschätzt Templin die Gefahren eines rechten Radikalismus. Die Debatte um die KZ-Wächterin der „Gedenkbibliothek“ jedenfalls fordert unbequeme Fragen an Wolfgang Templin heraus. Die rechte Tradition des Totalitarismus erhebt in Europa erneut ihr fürchterliches Haupt, wie unschwer im ehemaligen Jugoslawien zu sehen ist. Darüber auch mit Rechten zu debattieren ist kein Fehler. Deren Denkweisen zu verharmlosen wäre es aber schon. Erich Rathfelder

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