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Archiv-Artikel

Wohnungslose helfen sich selbst

Die Häuser der Initiative „Bauen Wohnen Arbeiten“ im Ossendorfpark sind fast fertig gebaut. Ziel des Projekts: Wohnungen und Arbeit für Obdachlose – inklusive Selbstversorgung im Nutzgarten

von Nicole Klemp

Baulärm, Bauschutt und Bauwagen: Im Ossendorfpark auf dem Gelände der ehemaligen belgischen Kaserne Klerken herrscht hektische Betriebsamkeit. Bis Juli/August soll der dritte und letzte Bauabschnitt abgeschlossen sein. Dann hat die Obdachlosen-Selbsthilfe-Initiative „Bauen Wohnen Arbeiten“ e.V. auf dem rund 6.200 Quadratmeter großen Grundstück in der Peter-Michel-Straße nach sechs Jahren Arbeit 46 Wohnungen fertig gestellt – 35 behindertengerechte Ein- bis Vierzimmerwohnungen in dem denkmalgeschützten Komplex und 11 in einem Neubau, dazu Gemeinschaftsräume, Gärten, einen Spielplatz und Werkstätten.

Wohnungslose bauen für Wohnungslose war die Idee, als sich 1998 verschiedene Vereine der Obdachlosenhilfe und ehemalige Betroffene zu der Initiative „Bauen Wohnen Arbeiten“ zusammenschlossen. Ziel der Maßnahme war es, Wohnungslose durch ein sofortiges Wohnangebot in Verbindung mit gleichzeitiger Beschäftigungsmöglichkeit dauerhaft zu Wohnung und Arbeit zu verhelfen und die Ausgrenzung obdachloser Menschen zu überwinden. Hierfür wurden rund vier Millionen Euro investiert. „Durch Mittel des Bauministeriums für zukunftsweisende Bauvorhaben und ein Bankdarlehen konnte das Gelände zunächst in unseren Besitz übergehen“, erklärt Dieter Breuer, Mitbegründer und Projektleiter. „Das Bauvorhaben konnte dann vor allem durch Eigenkapital in Form von Eigenleistung und Mittel für den Sozialen Wohnungsbau realisiert werden.“

Während der Bauarbeiten lebten die ehemaligen Obdachlosen in Bauwagen und versorgten sich selbst. Mittlerweile konnten die meisten von ihnen in die neu geschaffenen Wohnungen einziehen, die Selbstversorgung mit Nutzgärten, Kleintierhaltung und Gemeinschaftsküche bleibt erhalten. „Einige der Obdachlosen werden jedoch auch nach Fertigstellung der Gebäude im Außenbereich wohnen“, sagt Breuer.

So wie Hinrich zum Beispiel. Der Schlosser, der seit Beginn des Projekts dabei ist, möchte lieber nicht aus seinem Bauwagen raus in eine der Wohnungen ziehen. „Für manche Bewohner darf die Übersichtlichkeit nicht verloren gehen“, erklärt Sozialpädagogin Judith Knabe, die das Projekt mit zwei Kolleginnen begleitet. Hierfür werden mehrere kleine, Lauben ähnliche Häuschen gebaut, die mit Heizung und Elektrizität ausgestattet werden.

Erfahrungen als Bauarbeiter hatten die Mitglieder der Initiative nicht. In einem eigens gegründeten Baubetrieb unter der Leitung des gelernten Baufacharbeiters und Bildhauers Dieter Breuer wurden die Wohnungslosen im learning-by-doing-Verfahren angelernt. „Die Mitarbeiter haben sich mit der Zeit enorm qualifiziert“, sagt Breuer. Lediglich für Spezialarbeiten wie den Rohbau des Neubaus oder die Elektro-, Sanitär- und Heizungsinstallationen wurden externe Baufirmen verpflichtet. Alle anderen Arbeiten wurden in Eigenleistung geschafft. „Jeder beteiligt sich daran nach seinem Können“, so Breuer.

Einige Mitarbeiter haben sich auf das Fliesen der Küchen und Bäder spezialisiert. Und auch die Treppengeländer und Balkongitter entstehen in Eigenleistung in der hauseigenen Metallwerkstatt. „Die Leute bauen sich ihr eigenes Zuhause“, sagt Breuer, „das motiviert sie sehr.“ Wie die meisten Mitarbeiter der Initiative wohnt auch er auf dem Gelände. Darüber hinaus auch Personen und Familien, die vorher nicht wohnungslos waren. Gemeinsam mit den ehemals Wohnungslosen machen sie sich an die Feinarbeiten wie etwa den Bau einer Müllcontaineranlage oder die Gestaltung des großzügigen, gemeinsamen Gartens.

Den Betroffenen gefällt das Projekt, das auch nach Beendigung der Bauarbeiten im Ossendorfpark zu funktionieren scheint. Das zeigen die letzten Jahre, in denen die Kräfte, die am Bau nicht mehr benötigt wurden, in die internen Betriebe wie die Werkstätten oder den Selbstversorgungsbereich wechselten. In den nächsten Monaten geht es in Ossendorf an die letzten Baumaßnahmen und Innenausbauten: Eine Krankenstation soll noch entstehen, ein Gemeinschaftsraum und eine Kantine.