: Wohnungsfilz in Mitte auf leisen Sohlen
■ 1.200 Wohnungen an die Tochterfirma des Unternehmens verkauft, das Mieter beraten sollte, die eigene Wohnung zu kaufen
Noch vor Beendigung der Koalitionsverhandlungen hat Berlin einen neuen Privatisierungsskandal. Statt der geplanten 600 Wohnungen hatte die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) kurz vor Jahresende klammheimlich 1.215 Wohnungen an sogenannte Zwischenerwerber und nicht an die Mieter verkauft. Dahinter verbirgt sich offenbar auch eine handfeste Interessenskoalition: Einer der Käufer ist mit 807 Wohnungen das Duisburger Immobilien-Bau-Contor (IBC). Diese Firma ist eine Tochter der CT Projektgesellschaft – jener Firma also, die im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaft Mitte die Mieter in der Frage beraten sollte, ob sie ihre Wohnungen selbst kaufen wollen oder nicht.
Von „offensichtlichem Filz auf Kosten der Mieter“ sprach gestern die wohnungspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Barbara Oesterheld. Sie kritisierte, daß die CT die Mieter nicht hinreichend beraten habe. So seien den Mietern weder Einsicht in Unterlagen über die Bausubstanz gewährt worden noch sei der hohe Verkaufspreis begründet worden. Für die Bündnisgrünen ein klarer Fall von Filz: „Nur wenn weniger als ein Drittel der Mieter ihre Wohnungen kaufen wollen“, sagt die grüne Abgeordnete Elisabeth Ziemer, „darf an einen Zwischenerwerber verkauft werden“. Die CT, schimpfen die Grünen, habe durch ihre Beratung den Verkauf an ihr Schwesterunternehmen erst möglich gemacht. Die Grünen fordern nun den Senat auf, den Verkauf rückgängig zu machen. Außerdem solle die CT von ihrem Beratungsauftrag entbunden werden.
Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte begründete den Verkauf an die IBC gestern damit, daß ein anderer Kaufinteressent aus Sachsen kurzfristig abgesprungen sei. Aus diesem Grunde, sagte WBM-Sprecherin Susanne Schmidt, habe man die CT gefragt, ob sie nicht einen möglichen Käufer kenne. Über den Verkaufspreis wollte die WBM gestern keine Auskunft geben, wohl aber über den Preis, zu dem die Mieter die Wohnungen in renoviertem Zustand von der IBC zurückkaufen können: 1.950 bis 2.500 Mark je Quadratmeter.
Der Aufsichtsrat der WBM hat dem Verkauf bereits abgesegnet, als die Duisburger Immobilien- Bau-Contor noch nicht im Gespräch war. Einzig der Vertreter des Bausenators, Senatsbaudirektor Hans Stimmann (SPD) hatte gegen die geplante Veräußerung gestimmt. Stimmanns Auffassung zufolge sollten alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, an Mieter oder Mietergenossenschaften zu verkaufen. Die Vertreter der WBM- Arbeitnehmer hatten dem Verkauf an einen Zwischenerwerber dagegen zugestimmt. Im Rahmen der Altschuldenhilfe müssen die Wohnungsbaugesellschaften in den fünf neuen Länder 15 Prozent ihres Bestandes veräußern. Die WBM hatte bereits vor zwei Jahren 680 Wohnungen in der Leipziger Straße veräußert und war damit zum Vorreiter in Sachen Verkauf an Zwischenerwerber avanciert. Uwe Rada
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