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Wohnraum, wenn der Wagen bricht

■ Altersschwache Wohnwagen drohen bei Räumung auseinanderzufallen Von Patricia Faller

Lieber heute als morgen würde er sein jetziges „Zuhause“ verlassen. „Ich hab' schon'n ganz steifen Hals vom ewigen nach oben Kucken“, erzählt Kuddel. Überall da, wo keine Vorhänge am Fenster sind, klingelt er auf der Suche nach einer Wohnung. Doch bisher vergeblich. Seit ungefähr drei Jahren leben er und sein Kumpel Frank vor dem ehemaligen Eingang des Kaifu-Bades – ein städtisches Grundstück – in zwei heruntergekommenen Wohnwagen. Die sind so zerbrechlich, daß die Leute, die sie da jetzt weghaben wollen, erst prüfen müssen, ob sie einen Abtransport überhaupt überstehen.

Das Kaifu-Bad in Eimsbüttel soll erweitert werden. Da stören die beiden Obdachlosen und ihre Hunde Hugo und Spucki. Und so klebte Mitte Juli ein Zettel der Hamburger Wohnungsbaugesellschaft Saga, die das Grundstück verwaltet, an ihren Wohnwagen: Innerhalb einer Woche sollten sie verschwunden sein, sonst würde geräumt. „Wie soll ich meinen Wagen denn da wegkriegen? Der ist fast 30 Jahre alt. Der fällt schon auseinander, wenn man ihn nur scharf anschaut“, sagt Frank, dessen „Zuhause“ hinter dichtem Gestrüpp verborgen liegt.

Daß Frank und Kuddel ihre altersschwachen Wagen bisher noch keinen Zentimeter von der Stelle bewegen mußten, ist auf ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg zurückzuführen. Denn: „Ohne normale Räumungsklage läuft da nichts“, erklärt der Rechtsanwalt Ernst Medecke, der sich der Sache angenommen hat. Bis dieses Prozedere abgeschlossen ist, kann es Monate dauern. Halten sich Liegenschaftsamt und Saga nicht daran, droht ihnen ein Ordnungsgeld von 500.000 Mark.

Auch Versuche, die Saga und das Eimsbüttler Liegenschaftsamt dazu zu bewegen, den beiden einen anderen städtischen Abstellplatz für ihre Wagen zu bieten, blieben zunächst erfolglos. „Die Leute bewegen sich da nicht weg, ohne eine feste Zusage für eine Alternative“, hatte Anwalt Medecke den städtischen Behörden zu verstehen gegeben. Saga und Liegenschaftsamt lenkten schließlich ein. Die Wohnwagen sollen auf den Campingplatz an der Kieler Straße. Frank weiß nicht so recht, was er davon halten soll. Schon einmal war er vom dortigen Betreiber abgewiesen worden: Er wolle keine Sozialhilfeempfänger auf seinem Platz haben.

Sollten die Wohnwagen nicht mehr transportabel sein, will man den beiden Obdachlosen eine Wohnung beschaffen. Dieses Angebot erhielt der Anwalt unlängst schriftlich vom Liegenschaftsamt bestätigt. „Nächste Woche wird da sicherlich etwas in Gang kommen“, sagt Klaus Erxleben, Sachgebietsleiter bei der Saga. Wo die beiden wohnen sollen, sollten ihre Gefährte zusammenbrechen, weiß er jedoch auch nicht: „Wir können schließlich nicht zaubern.“

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