Wohnanlage für national-religiöse Juden: Bulldozer in Ostjerusalem
"Schabbat-Fahrstuhl" inklusive: Im arabischen Teil Jerusalems entsteht eine Wohnanlage mit 62 Einheiten für national-religiöse Juden.
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Zionismus und ein gutes Geschäft. Mit diesem Spruch lockt "BeEmuna" ( wörtlich "im Glauben") den frommen Wohnungssuchenden zum Kauf der eigenen vier Wände in Ostjerusalem. Die Gruppe will laut ihrer Internetseite eine "Immobilien-Verknüpfung zur religiösen Gemeinde weltweit" herstellen. Die Zwei- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen liegen "800 Meter über dem Meeresspiegel und überblicken die Berge Judäas". Was das Internetseite verschweigt, ist, dass die drei von "BeEmuna" geplanten Häuser mit insgesamt 62 Wohneinheiten inmitten des palästinensischen Viertels Al-Suahara liegt.
Vor wenigen Wochen rückten die Bulldozer auf dem umstrittenen Bauplatz an, obschon das Projekt bereits vor neun Jahren beschlossen wurde. Damals war der ehemalige Premierminister Ehud Olmert noch Bürgermeister von Jerusalem. Das Land gehört der Stadt, allerdings soll es jetzt per Gruppenkauf an die "BeEmuna" veräußert werden, sobald sich genügend Käufer gefunden haben.
Die Wohnungen kosten zwischen 680.000 und 850.000 Schekel, umgerechnet 120.000 bis 140.000 Euro und sind damit für Jerusalemer Verhältnisse ausgesprochen günstig. "BeEmuna" richtet sich ausdrücklich an ein national-religiöses Klientel. Geplant ist für jedes Gebäude ein "Schabbat-Fahrstuhl" in Form eines Paternosteraufzugs. Die Wohnungen selbst sollen mit mehreren "Schabbat-Timern" für die frommen Bewohner ausgestattet werden.
Die Stadtverwaltung unter dem neuen Chef Nir Barkat, der sich während seines Wahlkampfes wiederholt verpflichtete, für ein harmonisches Miteinander von Juden, Christen und Muslimen in der Stadt einzutreten, kommentiert das jüngste Bauprojekt kühl. Es handelte sich dabei um privates Projekt. "Der Bürgermeister vertritt die Ansicht, dass alle Bürger Jerusalems wohnen können, wo immer sie wollen, ohne Rücksicht auf Rasse, Überzeugung, Religion, Geschlecht oder nationaler Identität", heißt es in einer schriftlichen Mitteilung auf Anfrage.
Tatsächlich ziehen immer mehr Palästinenser, wenn sie es sich leisten können, aus dem arabischen Osten in den gepflegteren Westen der Stadt. Besonders beliebt sind die Viertel entlang der sogenannten Nahtlinie, die Jerusalem zweiteilt. Die Palästinenser sind im Besitz der israelischen Staatsbürgerschaft. Die meisten von ihnen arbeiten in Israel.
Zwi Rotmann (Name geändert), der vor ein paar Monaten aus Jerusalem weggezogen ist, war froh, für sein Haus in dem Randbezirk Givat HaZerfati einen jüdischen Käufer gefunden zu haben. "Es haben sich viele, zum Teil reizende Palästinenser für unser Haus interessiert", sagt er, "trotzdem hätte ich ungern an sie verkauft". Dabei ginge es ihm nicht um Rassismus. "Wenn es Frieden gäbe, hätte ich kein Problem, aber so ist es nicht."
Während die Palästinenser auf die Offenheit der Vermieter und Hausverkäufer im Westen der Stadt angewiesen sind, spornt die Stadtverwaltung Juden mit den günstigen Preisen geradezu an, in den Osten Jerusalems zu ziehen. "Die neue Siedlung stört das friedliche Zusammenleben und erschwert jede künftige Lösung zwischen Israel und den Palästinensern", mahnt der Anwalt Dani Weisman, Gründer von "Ir Amim" ( "Stadt der Völker"), eine Initiative zur Förderung der israelisch-palästinensischen Beziehungen in Jerusalem.
Weisman kritisiert die zweierlei Maßstäbe der Stadt, wenn sie "Palästinensern lediglich den Bau von höchstens zwei Stockwerken genehmigt, Juden hingegen sieben bis acht Stockwerke", wie in Al-Suahara. Außerdem habe er "noch nie gehört, dass die Stadt ein neues Viertel für Palästinenser plant". Weil es immer wieder zu Zwischenfällen zwischen den Siedlern und ihren Nachbarn in Ostjerusalem gibt, stellt das israelische Bau- und Wohnungsministerium jährlich umgerechnet gut drei Millionen Euro für die Bewachung der Siedlungen im arabischen Teil Jerusalems zur Verfügung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört