■ Wohin geht die Bundeswehr?: Die SPD steht wie eine Eins
Sie wankt und wackelt, aber sie fällt nicht. Die SPD, so soll das Präsidium der Partei – das höchste Gremium zwischen den Parteitagen also – beschlossen haben, bleibt dabei: keine Kampfeinsätze der Bundeswehr außer zur Verteidigung der eigenen Scholle. Die Zustimmung zum Einsatz als Blauhelmtruppe soll auch weiterhin davon abhängig gemacht werden, daß es sich um einen rein humanitären Einsatz handelt, der klar von einer Kriegshandlung unterschieden werden kann. Die Entdeckung Günther Verheugens, dem vor drei Wochen aufgefallen war, daß Blauhelme laut UN-Charta nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zur Durchsetzung ihres Auftrages schießen dürfen, soll nun Rechnung getragen werden – Sicherung des Auftrages ja, aber nur in einer deeskalierenden Weise. Mit anderen Worten, die SPD bleibt die Partei des Friedens, auf die Sozialdemokraten ist wie immer Verlaß.
Tatsächlich gibt es eine Reihe von Gründen, die den Verdacht nahelegen, daß die gestrige Präsidiumsentscheidung mehr für das Parteipoesiealbum als für die politische Praxis gedacht ist. Da ist zunächst die sich ständig verändernde Realität von Blauhelm-Einsätzen. Wollte die SPD tatsächlich bei der erklärten Position bleiben, müßte sie gegebenenfalls dafür sorgen, die Bundeswehr ganz als UNO-Verfügungstruppe zu streichen – eine Konsequenz, die die Partei angesichts der Hoffnungen, die sie in die UNO als Institution einer neuen Weltinnenpolitik setzt, keinesfalls ziehen will. Dazu kommt, daß die Personen, die letztlich für die SPD Außenpolitik machen würden, keinen Hehl aus ihrem Dissens zum parteioffiziellen Pazifismus machen. Klose, Voigt und Gansel wollen die Bundeswehr auch schießen lassen, und Scharping will vor allem eins: nicht festgelegt werden.
In der Bundeswehrdebatte zeigt Scharping erneut, daß er im Unterschied zu seinem Vorgänger taktisch versiert ist. Statt sich auf inhaltliche Positionen festzulegen, redet Scharping über Verfahrensfragen. Eine Verfassungsänderung soll den Einsatz der Bundeswehr nicht beschränken, sondern nur das Verfahren festlegen, nach dem über den Marschbefehl entschieden wird. Damit hat Scharping alle Optionen offen. Die Partei wird auf dem kommenden Bundesparteitag über das politisch Wünschenswerte reden, über eine konkrete Formulierung der Verfassungsfrage wird nicht diskutiert, und Scharping wird in jedem Einzelfall später zusammen mit der Fraktion über das politisch Machbare entscheiden. Ob die CDU auf dieses Spiel eingeht, wird letztlich von der Entscheidung in Karlsruhe abhängen. Jürgen Gottschlich
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