Wodka: Wässerchen ohne Reinheitsgebot
Niederlage für traditionelle Wodka-Länder: Ein Reinheitsgebot wird es nicht geben. Damit bleiben Äpfel und Zuckerabfall als Rohstoffe erlaubt - sie müssen nur aufs Etikett
STOCKHOLM taz Kartoffeln oder Getreide - sonst nichts. Russland und die Ukraine haben ihr Reinheitsgebot für den Wodka. Dass es eine solche Vorschrift auch in der EU gibt, dafür haben die Länder des traditionellen "Wodkagürtels" rund um die Ostsee gekämpft.
Im EU-Parlament konnten die baltischen Länder und Polen am Dienstag zumindest einen halben Sieg erringen: Zwar darf Wodka weiterhin auf der Grundlage von Weintrauben, Äpfeln und Zuckerrüben hergestellt werden. Doch dies muss künftig deutlich auf dem Etikett stehen. Richtig zufrieden ist der finnische EU-Parlamentarier Alexander Stubb, der zusammen mit zwei Kollegen hinter dem jetzigen Vorstoß auf Schutz der Warenmarke Wodka stand, mit diesem Kompromiss nicht: "Wenn Whisky und Champagner Markenschutz bekommen haben, warum dann nicht auch Wodka?" Eine eigentlich selbstverständliche Gleichberechtigung sei von der südeuropäischen Alkohollobby gestoppt worden, "obwohl der Markenschutz Finnland bei seinem EU-Beitritt ausdrücklich versprochen worden war". Und sein Landsmann Lasse Lehtinen will gleich "einen Kampf zwischen dem Wodkagürtel und Europas Bier- und Weingürtel" ausgemacht haben.
Es geht ums Geld. Für die nordisch-baltischen Wodkaproduzenten um rund 10 Milliarden Euro jährlich. Achtzig Prozent des Wodkas, der in EU-Ländern produziert wird, kommt aus Polen, dem Baltikum und Skandinavien. Und zwei Drittel wird dort auch gleich wieder konsumiert. Er wird in Schweden und Finnland vor allem aus Weizen, in Polen aus Roggen und Kartoffeln hergestellt. Der von diesen Wodkaländern geforderte Reinheitsschutz hätte zur Folge gehabt, dass sich beispielsweise 90 Prozent des in Tschechien und 75 Prozent des in Deutschland produzierten "Wodkas" nicht mehr Wodka hätte nennen dürfen. Ein solcher Schutz wäre nach Einschätzung des Berichterstatters und deutschen Europa-Abgeordneten Horst Schnellhardt (CDU) diskriminierend gewesen: "Die EU hätte umgehend eine Klage der WTO am Hals gehabt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?