Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Die wahren Premieren sind in dieser Woche auf freier Wildbahn zu beobachten: die ersten Blüten, die ersten echten Sonnenstrahlen, das erste Grün. Dementsprechend halten sich die Theater eher im Hintergrund und lassen den Frühling Frühling sein. Ein theatralisches Großereignis ist dennoch zu vermelden: Peter Zadek inszeniert am BE Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“. Dieser norwegische Aufschneider und Fantast gehört zu den kompliziertesten Helden der Weltliteratur. Identitäten und Träume wechselt er wie Kleider und ist deshalb irgendwie auch ein Archetyp des Westmenschen schlechthin: Gynt, der glaubt, dass er sich selbst verwirklicht, obwohl er eigentlich vor dem Leben flieht und sein Glück dabei gelegentlich auch auf das Unglück anderer baut. 1971 haben Peter Stein und Botho Strauß für die Schaubühne am Halleschen Ufer eine legendär gewordene Fassung des Dramas erarbeitet, dessen Inszenierung zu den Epoche machenden Arbeiten der alten Schaubühne gehört. Nun hat Peter Zadek diese Fassung für das Berliner Ensemble neu eingerichtet. Ab Donnerstag spielen u. a. Uwe Bohm und Angela Winkler. Botho Strauß hat einen neuen 5. Akt geschrieben. Wie es ist, auf der Suche nach Leben durch die Welt zu reisen, davon kann wohl auch Dolly ein Lied singen, beziehungsweise tanzen, die im Zentrum der neuen Dock11-Tanzproduktion „Dolly in the City“ steht, die ebenfalls am Donnerstag Premiere hat. Wo Peer Gynt noch durch Wüsten und Wunder reisen kann, sind für Dolly nur die Massenmedien geblieben, die ihre Träume nicht mehr erfüllen können. Eine ungewöhnliche Interpretation von Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ haben ab Donnerstag die Sophiensæle auf dem Programm: David Martons Musiktheaterabend „Nackt entblößt, sogar“. Spielort ist die schöne Villa Elisabeth in der Invalidenstraße.