Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Heutzutage haben schon die simplen Abendnachrichten im Fernsehen Shakespeare-Format: Es wird gemetzelt und gestorben, dass man sich manchmal nach alten Zeiten sehnt, als die Großmächte so hoch gerüstet waren, dass aus Kriegsangst nicht mal mehr richtig mit den Säbeln gerasselt wurde. Damals wusste man das Glück nicht zu schätzen und langweilte sich. Heiner Müller goss auf weißes Schreibpapier blutige Geschichtsfantasien aus: 1972 zum Beispiel seine Macbeth-Bearbeitung, die einen ausgesprochen blutrünstigen Zeitgenossen zum Modellfall für Mord- und Machtlust, den Größenwahn als Lebensform machte. Die 1968 geborene Regisseurin Nora Somaini transportiert Müllers sprachgewaltiges Drama in die Todesästhetik des japanischen Schwertkampfes, um dort einen anderen Macbeth zu entdecken: Macbeth, the Samurai. Auch Bert Bredemeyer und seine Kompanie entdecken eine alte Tragödie neu: die Medea des Euripides. Dabei zeigt die Ankündigung besonderes Verständnis für Gewalt, die aus der Verzweiflung entsteht, und fragt: „Medea – eine Terroristin?“ Bürgerlich ist der Erfahrungshorizont von August Strindberg, doch die Zimmerschlachten, von denen seine Stücke handeln, sollte man nicht unterschätzen. Der Regisseur Peter Borucki lädt ins Theaterdock zu seiner Inszenierung der „Gespenstersonate“ ein, in der es einen glücksversessenen jungen Mann zu einem gespenstischen Dinner verschlägt und sich die bürgerliche Welt schnell als Geisterbahn entpuppt. Das BE schließlich lädt am Freitag zum Ende der Spielzeit zu einem Hofkonzert ein. Es spielt Herr Gross & das Mutter Orchester. Wer es nicht weiß: Herr Gross ist der Komponist und Trompeter Michael Gross, der u. a. für Claus Peymanns Inszenierung von Brechts Agitationsklassiker „Die Mutter“ die Eisler-Songs dezent ironisch modernisierte.