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Archiv-Artikel

Wochenübersicht: Bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Jerusalem-Syndrom, Sophiensæle, Mi.–So., 21 Uhr
Herz über Bord, Neuköllner Oper, Do., 20 Uhr

1973 im Sommer war die DDR-Welt noch in Ordnung. Walter Ulbricht war gerade gestorben und Erich Honecker so etwas wie ein Hoffnungsträger. Gekrönt wurden die Tage der Euphorie durch die X. Weltfestspiele der Jugend, die als „rotes Woodstock“ in die Geschichte eingegangen sind. Ein Hauch von 68 wehte damals über den Marx-Engels-Platz. So schön wie in diesem Sommer ist die DDR nie wieder gewesen. In Zusammenarbeit mit dem Podewil, der Volksbühne, Kaffee Burger und dem Kino Babylon erinnert die Bundeszentrale für politische Bildung an an das legendäre Ereignis: „Weltfestspiele 73: Heldinnen, Bands & Klassenbrüder“. Eröffnung Freitag im Podewil. Schon ab 11 Uhr morgens befasst sich im Roten Salon der Volksbühne eine Sommeruniversität mit dem Thema. Am Samstag widmet sich das Orphtheater aus gleichem Anlass dem dringend empfohlenen Projekt „Notwendiger Neuer Untergrund (NNU)“. Für das hochsommerlich-hedonistische Gleichgewicht zwischen Politdiskurs und proletarische Freizeitvergnügungen wie Grillen ist gesorgt, für Musik und Theater sowieso. Zu den schwierigeren Themen dieser Zeit zählt der Nahostkonflikt, dessen Hintergründe auch mit der spirituellen Aufladung des kleinen Flecken Erde zusammenhängen, mit der sich seit Freitag ein Theaterabend in den Sophiensælen befasst. Vom „Jerusalem Syndrom“ werden gelegentlich sogar sonst eher unauffällige Zeitgenossen heimgesucht, die bloß als simple Touristen das Heilige Land betreten. Plötzlich beginnen sie, sich mit religiösen Figuren zu identifizieren und an eine spirituelle Mission zu glauben. Dabei ist noch nicht einmal Wahlkampf, wie im Fall von Lilli Brand, die im Zentrum von Eduard Künneckes Wahlkampfoperette „Herz über Bord“ steht. Diese Woche wieder in der turbulent aktualisierten Fassung der Neuköllner Oper.

Notwendiger Neuer Untergrund, Orphtheater, Sa., 19 Uhr
Weltfestspiele 73, Eröffnung, Podewil, Fr., 20 Uhr