Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betracht das Treiben auf Berlins Bühnen
Für einen deutschen Klassiker klingt der Titel fast zu niedlich. Trotzdem sollte man sich nicht täuschen lassen. In Kleists „Käthchen von Heilbronn“, das am Deutschen Theater Nicolas Stemann inszeniert, geht es um letzte Dinge wie Wahrheit, Wunder und Liebe. Um Abgründe, denen nur entkommt, wer seine Träume nicht verrät. Irgendwie ist Kleists Käthchen, das so lange liebt, bis diese Liebe die Welt verwandelt hat, auch eine wunderbare Variation von Kants kategorischem Imperativ. Aber weil dies bloß eine Kolumne und keine Abhandlung werden soll, wenden wir uns auch schon einem ungewöhnlichen Gastspiel der Berliner Festwochen zu, zwei Inszenierungen des litauischen Regisseurs Kama Ginkas nämlich. „KI From Crime“ ist eine Adaption des Dostojewski-Romans „Schuld und Sühne“, und man kann dort den russischen Filmstar Oksana Myssina als Katerina Ivanowna glänzen sehen. „Der schwarze Mönch“ gehört zu Ginkas gefeierter Tschechow-Trilogie. Zum deutsch-russischen Schwerpunkt der diesjährigen Festwochen passt irgendwie auch eine Veranstaltung im Stadtbad Oderberger Straße. Denn die bundesrepublikanische Anna Karenina heißt Hannelore Kohl und der „MA 224 – Club der schönen Mütter“ spielt Sobo Swobodniks Hannelore-K.-Schauspiel: „Alles Liebe … ich bin dein Leben“ als Abrechnung mit der patriarchalen bundesrepublikanischen Geschichte. Im Übrigen bleibt zu vermelden, dass die schönen Tage in der ehemaligen Staatsbank der DDR bald vorbei sind. Doch eh aus dem Gemäuer ein Luxushotel wird, wird vom 25. bis 27. 9. Abschied gefeiert: mit einer Reihe von Veranstaltungen, für die wir diesen schaurig-schönen Ort so liebten. Mit dabei: Christian von Borries, dessen „Wagnerkomplex“ außerdem bis zum 30. 9. den momentan mythischsten Ort der Stadt zum Klingen bringt: den Palast der Republik.