Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Auf den Spielplänen dieser Woche sieht es wieder finster aus: Neid, Alkoholismus, Tod und Untergang sind die beherrschenden Themen. Gott sei Dank scheint wenigstens am Tag die Sonne. Besonders dunkel ist es schon immer im Casino gewesen. Vielleicht, weil dann der Glanz des Geldes noch betörender scheint. Fjodor M. Dostojewski, Hausautor am Rosa-Luxemburg-Platz, konnte ein Lied davon singen. An der Volksbühne, wo man schon seit längerem immer gebannter in die Abgründe des Kapitalismus blickt, inszeniert Johan Simons, von dem zuletzt während des Theatertreffens seine Inszenierung von Heiner Müllers „Titus Andronicus“ zu sehen war, jetzt eine Theaterversion des berühmten Romans „Der Spieler“: „Zocker“. Auch der Schwede Lars Norén findet die hässlichen Seiten des Lebens am schönsten. Sein neues Stück heißt „Kälte“. Drei Jugendliche beginnen die Sommerferien mit einem Saufgelage im Wald. Ein vierter kommt dazu und wird von den gewaltbereiten Unterschichtmachos zum Mittrinken gezwungen, bis die Orgie sich katastrophal zuspitzt. Robert Schuster inszeniert die deutsche Erstaufführung im Werkraum des Deutschen Theaters. Nicht zimperlich war auch der Brite John Webster, dessen Dramen fast durch die Bank mit Blut statt Tinte geschrieben sind. In „Die Herzogin von Malfi“ treffen wir auf allerniedrigste Instinkte, die mit höchsten Sinn für Dramatik entfaltet werden. In der Schaubühne inszeniert Chistina Paulhofer, der wir an dieser Stelle ein ausgeprägtes Talent für dramatische Schlachtfeste bescheinigen möchten. Die Operndiva Maria Callas wird von der Nachwelt nicht nur geliebt, weil sie so schön singen, sondern auch, weil sie so schön leiden konnte. Terence McNally hat ihr mit seinem Stück „Meisterklasse“ einen Kranz gewunden. Boris von Poser inszeniert es jetzt am Renaissance-Theater.