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Archiv-Artikel

Wochenübersicht: Bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

„Die dunklen Hirsche“, Orphtheater, 26.–30. 11.
Reconstruction…, Sophiensaele, 27.-30.11.

So circa um das Jahr 1600 wurde die Menschheit langsam erwachsen. Jedenfalls in gewisser Weise. Shakespeare, dessen Dramen sie durch die letzten Phasen ihrer Pubertät begleitet hat, hatte seine berühmtesten Stücke längst geschrieben. Nur sein schönstes noch nicht: „Der Sturm, dessen Protagonisten sich plötzlich in einer Welt wiederfinden, deren Geheimnisse lösbar geworden sind, wurde dann Shakespeares letztes Stück. Eine Gruppe von Menschen erleidet Schiffbruch und landet auf einer Insel. Hier herrscht Prospero, der sein archaisches Reich gegen die eingedrungenen Mächte der Vernunft zu schützen versucht, die sich als die Regeln entpuppen, nach denen später auch der Kapitalismus funktionieren sollte. Leander Haußmann hat nach seiner bildmächtigen Fassung des „Wintermärchens“ am BE jetzt den „Sturm“ inszeniert. Nicht auf einer Insel sondern in der „Eisstadt“ ist nach ihrer Flucht Nevin und ihre Familie gelandet. Doch so wie Shakespeares Prospero alles andere als ein freundlicher Arkadienbewohner ist, entpuppt sich auch der Fluchtort „Eisstadt“ für Nevin als unheimlicher Ort. Ein gewisser Marshall Schail treibt hier sein Unwesen und beschäftigt einen veritablen Angstmoderator namens Röhmer. Regisseur und Musiker Schorsch Kamerun will jetzt mit attraktiven Diskursangeboten über zeitgenössische Formen des Populismus mit der „Eisstadt“ den Prater zu einer warmen Station des Infotainments machen, unter Zuhilfenahme von Musik, Tanz und sogar ein wenig Theater. Das Orphtheater spielt im Rahmen der lettischen Theaterwoche mit Inga Abeles „Die dunklen Hirsche“ das Drama eines gescheiterten Biologen aus der ehemaligen UdSSR, und in den Sophiensælen feiert Berlins ältestes freies Tanztheater „die Tanzfabrik“ unter dem Motto „reConstruction – newProduction“ seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag.

„Eisstadt“, Prater, 26./28.–30. 11.
„Der Sturm“, Berliner Ensemble, 25./28. 11.