piwik no script img

Archiv-Artikel

Wochenübersicht: Bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

„Der deutsche Mittagstisch“, BE, 19./21./23. 12.
„The Book of Liz“, Friends of Italian Opera, 17.–20./22.–23. 12.

Tauffeiern und Trauerfeiern können einiges gemeinsam haben, besonders wenn wir es mit Spätausläufern des bürgerlichen Trauerspiels zu tun haben. Da schwelen gelegentlich Feuersbrünste unter der kühlen Oberfläche der Bürgerlichkeit. Man nehme beispielsweise Familie Vockerat, die sich Gerhard Hauptmann für sein drittes Drama erdachte: ihre Gemeinschaft ist nur Makulatur, Verständigung ausgeschlossen. Die Familienmitglieder bleiben für sich wie in einem Kokon verschlossen, weshalb das Stück auch „Einsame Menschen“ heißt. Einsamkeitsspezialist Michael Thalheimer hat es am Deutschen Theater inszeniert. Da Frieden etwas ist, was offensichtlich nicht erst seit heute vermisst wird, bieten die Kammerspiele des Deutschen Theaters eine Bearbeitung von Aristophanes’ Komödie „Die Vögel“ an, für die sich ein gewisser Sören Voima verantwortlich zeigt, ein Pseudonym, unter dem Tom Kühnel und Robert Schuster schreiben. In Berlin inszeniert ein anderes Duo, und zwar Christian Weise und Christian Tschirner, die Geschichte vom Vogelstaat mit Mauer, wo der Frieden schon bald wie Bushs „enduring freedom“ auszusehen beginnt. Zur Weihnachtszeit kommen bürgerliche Verhaltensweisen wieder ans Kerzenlicht, die das Jahr über in unserer Scheinmoderne leicht übersehen werden. Thomas Bernhard hat die erdrückenden Rituale der Deutschen und das darunter gärende Mordspotenzial in abgründigen Dramoletten verewigt, die Claus Peymann am BE unter dem Titel „Der deutsche Mittagstisch“ serviert, mit legendären Bernhard-Schauspielern wie Ilse Ritter oder Traugott Buhre. Freunden des verschrobenen Humors (und der englischen Sprache) sei noch die neue Produktion der Friends Of Italian Opera, Amy und David Sedaris’ „The Book of Liz“ ans Herz gelegt, das Priscilla Be inszeniert und mit Songs angereichert hat.

„Die Vögel“, Kammerspiele DT, 17.–19. 12.
„Einsame Menschen“, DT, 20./21. 12.