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„Wo liegen die Fildern? Die nehmen wir.“

■ 8.000 Filderbürger klagen gegen den geplanten Ausbau des Stuttgarter Flughafens / Persönliche Daten veröffentlicht

Aus Stuttgart Dietrich Willier

„Der Stuttgarter Flughafen wird ausgebaut, auch wenn die Filderbewohner auf den Händen gehen“, hatte Baden–Württembergs Ministerpräsident Lothar Späth gedroht. Vergangene Woche veröffentlichte der Stuttgarter Regierungspräsident den Planfeststellungsbeschluß seiner Behörde: Ausbau des Stuttgarter Flughafens und Verlängerung der Start– und Landebahn um 1.380 Meter. Die fünf Bürgermeister der Anliegergemeinden und mehr als 80.000 Gegner des beschlossenen Flughafenausbaus wollen jetzt, unterstützt von dem Freiburger Anwalt Siegfried de Witt, vor dem Mannheimer Verwaltungsgericht klagen. Das mehrwöchige öffentliche Anhörungsverfahren, so der landwirtschaftliche Obmann einer betroffenen Gemeinde, hätte man sich sparen können, das Ergebnis habe politisch schon längst festgestanden. Vor allem auch die von künftigen Enteignungen und Flurbereinigungsvorhaben direkt betroffenen Landwirte der Filderebene sind empört. Ihre persönlichen Daten und Besitzverhältnisse, die sie in nichtöffentlichen Anhörungen des Planfeststellungsverfahrens offengelegt hatten, waren jetzt als Anhang des Planfeststellungsbeschlusses veröffentlicht worden. Mitglieder der „Schutzgemeinschaft gegen einen Stuttgarter Großflughafen“ forderten deswegen auf ihrer gestrigen Pressekonferenz den sofortigen Rücktritt des Regierungspräsidenten Manfred Bulling. Mehr als 20 Jahre dauert der Widerstand gegen den Ausbau des Stuttgarter Flughafen bereits. Zu Beginn dieses Jahrzehnts noch hielten selbst das Bundesverkehrsministerium und das Stuttgarter Innenministerium einen auf 600 Meter reduzierten Ausbau der Start– und Landebahn sicherheitstechnisch für durchaus vertretbar. Die Gegner des Flughafenausbaus sind denn auch überzeugt, daß jetzt mit unlauteren sicherheitstechnischen Begründungen nur die prestigesüchtigen politischen Vorgaben der Stuttgarter Landesregierung durchgesetzt werden sollen. Für die betroffenen Bauern, so Landwirtschaftobmann Briem, beginne ein Existenzkampf. Frei nach Blücher, so ein Bauer, sei Regierungspräsident Bulling verfahren: „Wo liegen die Fildern, sie liegen hier, den Finger drauf, die nehmen wir.“ Für die anstehenden Verwaltungsgerichtsklagen hat die Schutzgemeinschaft gegen den Flughafenausbau jetzt einen Rechtsfonds gegründet. An einem Traktor kündet ein Transparent: „Im Frühjahr sind Wahlen, da werdet ihrs sehen, Lothar Späth wird baden gehen.“

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