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Wo bleiben die Frauen im Staatsvertrag?

■ Parlamentspräsidentinnen von DDR und BRD üben Kritik / Süssmuth: „Und wo sind die revolutionären DDR-Frauen?“

Berlin (dpa/taz) - Die Parlamentspräsidentinnen beider deutscher Noch-Staaten haben gestern bemängelt, daß im Freitag unterzeichneten Staatsvertrag die Frauen und ihre Belange nicht vorkommen. Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth sagte gestern auf dem Festakt zum 75jährigen Bestehen des deutschen Hausfrauen-Bundes im Berliner Reichstagsgebäude, es sei ihr unverständlich, daß in dem Vertragswerk Frauen wie auch Behinderte nicht berücksichtigt würden. „Wenn wir uns als Frauen allerdings auch nicht engagieren, dürfen wir uns aber auch nicht beklagen“, meinte die Politikerin weiter auf der Veranstaltung, an der auch DDR -Volkskammerpräsidentin Sabine Bergmann-Pohl teilnahm.

Die stieß mit ihrem Grußwort ins gleiche Horn: „Die Gleichberechtigung der Frauen sollte nicht nur in einem einzigen Satz dokumentiert werden.“ Die Frauen-Förderpläne in der DDR hätten in der Vergangenheit für die Frauen kaum Fortschritt gebracht. Sie seien im Gegenteil einer „Zweifach -, Dreifach- oder sogar Vierfach-Belastung“ ausgesetzt gewesen. Ursache sei dafür unter anderem die schlechte Versorgungssituation in der DDR gewesen.

Die Bundestagspräsidentin fragte sich in ihrer Rede auch, wo die vielen Frauen, die die friedliche Revolution in der DDR mitgetragen haben, inzwischen geblieben seien. Die Zahl der Frauen, die bereit sind Verpflichtungen zu übernehmen, sei immer noch zu gering. Frau Süssmuth setzte sich dafür ein, daß die Hausfrauenarbeit künftig im Bruttosozialprodukt - die Summe aller wirtschaftlichen Leistungen berücksichtigt wird.

„Wir müssen die unsichtbare Arbeit der Hausfrauen sichtbar machen“, meinte die CDU-Sozialpolitikerin. „Lob auf dem Geburtstag“ sei zu wenig. Würden die Hausfrauen ausfallen, könnte der Staat insbesondere die entstehenden Kosten in der Heimpflege kaum bewältigen.

Kritik der bundesdeutschen Gewerkschaften

Hamburg (dpa) - Defizite im Staatsvertrag sehen auch die DDR -Gewerkschaften, vor allem bei der sozialen Sicherung. Der Vorsitzende des Sprecherrates der 20 DDR -Einzelgewerkschaften, Peter Rothe, forderte in einem Grußwort auf dem Hamburger Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Dienstag, die Regierungen beider deutscher Staaten müßten Schritte zur Arbeitsplatzbeschaffung, Umschulung und Fortbildung vereinbaren. Eine bessere Produktivität der DDR-Wirtschaft sei notwendig, damit die Arbeitsbedingungen und Löhne schrittweise an das Niveau der BRD angeglichen werden könnten.

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