Wirtschaftsverhör: Kooperationsversuch
■ Interview mit dem Kaufmann Rudolf Leineweber, Kleinaktionär bei Schering und Mitglied der Tierversuchsgegner Berlin e.V.
taz: Was ist das für eine Kooperation, die Ihr Verein mit der Firma Schering begonnen hat, einem Betreiber von Tierversuchen? Rudolf Leineweber: Wir versuchen, gemeinsame Interessen zusammen zu organisieren. Das wurde uns möglich durch die Bereitschaft Scherings - sicher auch zur Imagepflege - zu einem Symposion über Alternativen zum Tierversuch. Jetzt unterhalten wir uns über Aktivitäten, die Schering über die gesetzlich vorgeschriebenen Normen hinaus angehen könnte, um schneller wegzukommen vom Tierversuch. Macht Schering das aus schlechtem Gewissen? In den ganzseitigen Anzeigen der Pharma– und Chemieindustrie kommt eine ganze Menge schlechtes Gewissen zum Ausdruck, aber ich will das nicht darauf reduzieren. Es bedrückt ohnehin eine Menge Leute, was bei den Tierversuchen passiert, sogar gesetzlich vorgeschrieben ist. Last but not least sind es Kostengesichtspunkte bei der Einführung anderer Versuchs– und Testmethoden, z.B. mit Zellkulturen. Von wem ging diese Initiative aus? Gab es Widerstände? Die Initiative ging aus von einem Beitrag auf der Hauptversammlung 1985. Hinterher bat uns der Vorstand zu einem Gespräch, was relativ offen verlief - mit dem Ergebnis, daß 18 Monate lang das Symposion vorbereitet wurde. Heute haben wir nun versucht, in unserer Bilanz des Symposions die Tierversuchsgegner in den Rahmen der ökologischen Bewegung zu stellen. Der Tierversuch ist strukturelle Gewalt gegen die Natur, wogegen sich diese Bewegung ja wohl zu allererst wendet. Was sagen diejenigen Tierversuchsgegner, die analog zur Anti–AKW–Position „Sofort aufhören“ fordern, zu dieser Kooperation? Es gibt Gegenpositionen, das Beispiel Kernenergie trifft genau. Ich selbst will nicht in starken Reden nur mich selbst beweihräuchern. Es gibt keinen Weg weg vom Tierversuch ohne eine wie auch immer am Rande des Machbaren sich bewegende Kooperation mit der Industrie. Hat Ihr Vorgehen Modellcharakter für andere Ökogruppen? Ritualisierte Kleinaktionärsproteste, die z.B. bei Bayer abliefen, haben wenig gebracht. Auch heute werden wir erleben, daß die Wiederholung der gleichen Kritik wie im Vorjahr eher ein negatives Klima schaffen... ..Sie meinen die Kritischen Aktionäre aus der BUKO–Pharma–Kampagne? Ja. Wir müssen die Entscheidungsträger mit Fakten, und das sind für sie Marktargumente, konfrontieren. Der Vortrag des Vorstandsvorsitzenden signalisiert, daß Veränderungen registriert werden. Die Firmen müssen doch ihre starren Haltungen aufgeben wegen des öffentlichen Drucks oder der Suche nach Ersatzmärkten. Warum sollte Ökologieorientierung keinen lukrativen Markt abgeben? Bringen die militanten Versuchsgegner Rückenwind für Sie? Diese sehr stark von Emotionen getragene Politik kann ich verstehen, erklären. Sie wird aber keinen durchschlagenden Änderungserfolg haben. Sind Ihre Aktivitäten nicht nur der Tropfen auf den heißen Stein? Trotzdem entsteht bei diesem Tropfen auch Dampf. Interview: Georgia Tornow
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen