Wirtschaftspartner Libyen: Gaddafi, der Freund

Libyens Erdölvorkommen machen das Land zum Partner von Deutschen, Italienern und Russen. Die russische Gazprom hat gerade erst 170 Millionen Doller investiert.

Seit Gaddafi 2003 sein Atomwaffenprogramm einstellte, ist Libyen in der internationalen Staatengemeinschaft wieder wohlgelitten. Bild: reuters

BERLIN taz | Als Russlands Präsident Dmitri Medwedjew vergangene Woche Italien besuchte, stand er zusammen mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi Pate für einen millionenschweren Libyen-Deal. Für 170 Millionen Dollar erwarb die russische Gazprom am 16. Februar die Hälfte des 66-Prozent-Anteils, den Italiens führender Ölkonzern ENI am westlibyschen Ölfeld "Elefant" hält. Diese gigantische Ölquelle enthält 110 Millionen Tonnen Öl, nahezu zehn Jahre der gesamten Weltproduktion.

Wenn Libyens Regierung diesen Deal billigt, gehört der "Elefant" fortan zu je einem Drittel Libyern, Russen und Italienern. Sollte Libyen allerdings in Bürgerkrieg versinken und der Deal dadurch platzen, muss Italiens größtes Unternehmen - das auch das Agip-Tankstellennetzwerk betreibt - auf 170 Millionen Dollar verzichten.

Kein Wunder, dass Italiens Außenminister Franco Frattini sich gestern beim EU-Außenministerium gegen Libyen-Sanktionen aussprach. "Europa sollte nicht eingreifen", sagte der Italiener. Man dürfe "nicht den schlechten Eindruck hinterlassen, dass wir unsere Demokratie exportieren".

Italien exportiert lieber andere Dinge. ENI vereinbarte bereits 2007 mit der staatlichen libyschen Ölgesellschaft einen Deal über gemeinsame Investitionen in Libyens Öl- und Gassektor mit rund 20 Milliarden Euro über zehn Jahre. Keine Regierung arbeitet enger mit Libyen zusammen als die Italiens, unter anderem auch bei der Abwehr afrikanischer Flüchtlinge.

Libyen wandelte sich vom Paria zum Partner, als Gaddafi 2003 sein Atomwaffenprogramm einstellte. UN- und EU-Sanktionen fielen, europäische Staatschefs pilgerten nach Tripolis. Libyen hat die größten Ölreserven Afrikas und gilt für Ölmultis als lukrativstes noch unerschlossenes Fördergebiet der Welt. Erste Verträge mit Shell und Exxon gab es 2005, zwei Jahre später folgten BP, ENI, Gazprom und die deutsche RWE Dea.

Im Oktober 2004 besuchte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder Libyen und eröffnete eine Ölbohrung der seit der Kolonialzeit dort tätigen BASF-Tochter Wintershall. Im April 2009 eröffnete der damalige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Tripolis das Deutsch-Libysche Wirtschaftsforum des Afrika-Vereins und lobte die Partnerschaft mit Libyen, "unser größter Öllieferant außerhalb Europas".

Dieses 12. Wirtschaftsforum war allerdings auch das vorerst letzte. Nachdem Libyen sich vor einem Jahr mit der Schweiz verkrachte und vorübergehend die Staaten des Schengen-Raums und Libyen füreinander keine Visa mehr ausstellten, fiel das für 2010 geplante Nachfolgeforum aus. Der deutsch-libysche Handel ist rückläufig: das bilaterale Handelsvolumen sank von 5,6 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 4,1 Milliarden jeweils in den Jahren 2009 und 2010.

Auch Libyens Ölförderung bleibt hinter den Erwartungen zurück. 2010 lag die Förderung bei 1,66 Millionen Barrel pro Tag, weniger als in Nigeria oder Angola. Sie soll nach britischen Branchenprognosen bis 2020 auf 2,25 Millionen Barrel pro Tag steigen.

"Einen guten Partner erkennt man in schwierigen Tagen", lautete die Parole des Deutsch-Libyschen Wirtschaftstags, den die Libysch-Deutsche Handelskammer am 19. Februar 2010 unter Schirmherrschaft der Deutschen Bank in Berlin ausrichtete. So schwierig wie heute hatte sich damals die Zeiten wohl niemand vorgestellt. Die meisten in Libyen aktiven ausländischen Unternehmen, hauptsächlich in der Ölprospektion tätig, ziehen sich jetzt vorläufig zurück.

Wintershall, das von den 30 bis 40 deutschen Unternehmen in Libyen am aktivsten ist, holt nach eigenen Angaben rund 130 Mitarbeiter und Familienangehörige nach Deutschland zurück. Wintershall beschäftigt in Libyen mehr als 400 Mitarbeiter, davon mehr als drei Viertel Einheimische. Auch RWE Dea holte am Wochenende Mitarbeiter aus Libyen zurück. Die RWE-Tochter hat rund 100 Mitarbeiter in dem Land, von denen ebenfalls die meisten Einheimische sind. Der Siemens-Konzern erklärte ebenfalls, er organisiere derzeit die Ausreise seiner rund 100 ausländischen Mitarbeiter.

Die Italiener von ENI, die sich stolz als größter ausländischer Ölförderer Libyens bezeichnen, kündigten an: "Die Repatriierung von Familienangehörigen unserer Mitarbeiter in Libyen ist im Gange." Als Grund wurde genannt: Die Schulen sind geschlossen.

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