Wirtschaftsminister schimpft auf Torys: Zoff in der britischen Regierungskoalition
Der liberal demokratische Wirtschaftsminister Vince Cable zieht gegen die Torys vom Leder und erklärt dem Murdoch-Imperium den Krieg. Bleiben darf er trotzdem.
Wäre er ein Tory, hätte man ihn gefeuert. Der britische Wirtschaftsminister Vince Cable von den Liberalen Demokraten hat sich gegenüber zwei Reportern des Daily Telegraph, die sich als Parteifreunde ausgegeben hatten, äußerst unvorsichtig über die Koalitionsregierung mit den Tories und über den Medienzaren Rupert Murdoch geäußert.
Dafür muss er zwar einige seiner Kompetenzen abgeben, darf aber Wirtschaftsminister bleiben. John Whittingdale, der Tory-Vorsitzende des Kulturausschusses, sagte, dass man die Liberalen bei Laune halten müsse und deshalb nicht ihren zweitwichtigsten Mann entlassen konnte.
Das Drama entfaltete sich schrittweise. Zunächst berichtete der Telegraph über Cables Einschätzung der Koalition. "Es ist wie im Krieg", hatte er gesagt. "Sie wissen, dass ich Atomwaffen habe, aber ich habe keine konventionellen Waffen. Wenn die Konservativen zu weit gehen, dann trete ich aus der Regierung aus und bringe sie zu Fall, und sie wissen das."
Während Premierminister David Cameron und sein Stellvertreter, der Liberalen-Chef Nick Clegg, die Sache herunterzuspielen versuchten und Differenzen in einer Koalition als normal bezeichneten, veröffentlichte die BBC eine weit brisantere Äußerung Cables. Die war dem Sender von einem Mitarbeiter des Telegraph zugespielt worden, der sich darüber ärgerte, dass seine Zeitung das Zitat zurückgehalten hatte.
"Ich habe Herrn Murdoch den Krieg erklärt", hatte Cable gesagt, "und ich glaube, dass wir gewinnen werden." Er habe die Übernahme des Bezahlsenders Britisch Sky Broadcasting (BSkyB) mit den ihm zur Verfügung stehenden legalen Mitteln blockiert. "Sein ganzes Imperium ist jetzt unter Beschuss", triumphierte Cable. Murdoch hält bereits knapp 40 Prozent an BskyB.
Am Dienstag hatte die Europäische Kommission Murdochs News Corporation grünes Licht für die Übernahme der restlichen Anteile gegeben, aber betont, dass das keinerlei Auswirkungen auf die Prüfung durch die britische Regierung habe. Dafür wäre Cable zuständig gewesen, und von einem Wirtschaftsminister erwartet man bei einer solchen Bewertung Neutralität. Jetzt wurde die Zuständigkeit für Wettbewerbsangelegenheiten dem Ministerium für Kultur, Medien und Sport zugeschlagen.
Der Telegraph hatte Cables Äußerungen nicht veröffentlicht, weil das Blatt selbst ein Interesse daran hat, die Übernahme des Senders durch einen Konkurrenten zu verhindern. So reagierte man schlecht gelaunt auf die BBC-Veröffentlichung.
Murdochs Sprecher erklärte, man sei "bestürzt und schockiert". Die Äußerungen weckten "schwerwiegende Fragen an die Fairness und ein ordentliches Verfahren" bei der Prüfung der Übernahme. Vermutlich sind die Chancen für eine Übernahme wegen Cables unbedachtem Gerede eher gestiegen, denn die Regierung will sich keine Voreingenommenheit nachsagen lassen. Eine Entscheidung soll bis Jahresende fallen.
"Ich entschuldige mich für die Peinlichkeit, die ich verursacht habe", sagte Cable. Sein Parteichef Clegg fügte hinzu, dass Cable recht habe, wenn er die Angelegenheit als peinlich empfindet: "Er weiß selbst, dass er nicht weiterhin die Verantwortung für den Wettbewerbsbereich tragen kann."
Cable war nicht der einzige Liberaldemokrat, der vom Telegraph hereingelegt wurde. Das den Tories nahestehende Blatt hatte drei weitere Kabinettsmitglieder der Liberalen Demokraten verdeckt aufgenommen. Schottland-Minister Michael Moore und die Staatssekretäre Ed Davey und Steve Webb äußerten sich sehr kritisch über die Politik der Koalitionsregierung - vor allem, was die Kürzungen des Kindergeldes und die Verdreifachung der Studiengebühren betrifft.
Cable und seine Kollegen können froh sein, dass das Parlament bereits in den Weihnachtsferien ist. Sie hoffen, dass im Januar die Sache vergessen ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!