: „Wir sind optimistisch“
■ Die Angehörigen der 15 zum Tode verurteilten chilenischen Gefangenen haben in Berlin die taz besucht / Erschöpfung, aber Hoffnung auf „die Ehrlichkeit deutscher Politiker“
Berlin (taz) - Erschöpft, aber voller Optimismus präsentierten sich die Angehörigen der 15 chilenischen Todeskandidaten am Donnerstag bei ihrem taz–Besuch. Berlin war die letzte Station ihrer Rundreise. „Wir haben die Strapazen auf uns genommen, um das Leben unserer Angehörigen zu retten“, sagte Jorge Radrigan, „und wir sind mit dem Ergebnis unserer Reise zufrieden; wir sind zuversichtlich, daß die Bundesregierung die notwendigen Einreise–Visa für unsere Angehörigen doch noch rechtzeitig erteilen wird.“ Nach ihrer Einschätzung hätten alle Gesprächspartner die Notwendigkeit sofortigen Handelns erkannt. Vertreter aller Parteien hätten ihnen zugesichert, „Druck auf Bonn“ zu machen, damit Innenminister Zimmermann die Visa für die 15 Gefangenen jetzt erteilt und auf die Sicherheitsüberprüfung verzichtet. Bei ihren vielen Begegnungen habe man den Eindruck gewonnen, daß die unnachgiebige Haltung Zimmermanns nicht geteilt werde, oftmals habe man sich regelrecht dafür entschuldigt. Warum wollen die 15 Chilenen nicht in eines der anderen europäischen Länder, die zur Aufnahme bereit sind, einreisen? Dazu Jorge Radrigan: „Aus der Bundesrepublik gab es das erste Aufnahmeangebot aus Hessen, und die Bundesrepublik ist eine mächtige Industrienation, die schwunghaften Handel mit dem Regime Pinochets treibt, nur dadurch ist auch politischer und ökonomischer Druck möglich.“ Falls Zimmermann seiner harten Linie treu bleibt, hoffen die Angehörigen auf das EG–Parlament, das im Mai alle europäischen Staaten aufgefordert hatte, Visa für die Todeskandidaten zu erteilen und das Pinochet–Regime unter Druck zu setzen. „Aber wir sind optimistisch und vertrauen auf die Ehrlichkeit der deutschen Politiker.“ Daß die 15 Gefangenen nicht mit der Todesstrafe sondern „nur“ mit lebenslanger Haft bestraft werden, sei als Ausweich– Strategie durchaus zu befürchten. Deshalb müßten jetzt dringend die Einreise–Visa ausgestellt werden, sagte Anna Maria Garcia. Was die Angehörigen bei ihrer Rückkehr erwartet, ist auch für sie selbst noch ungewiß. „Wir haben Angst, aber wir wollen das Leben unserer Verwandten retten. Wir alle werden in Chile verfolgt, und wir haben die Erfahrung, daß Menschen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, den unterschiedlichsten Stufen der Repression ausgesetzt sind. Wahrscheinlich werden gegen weitere 40 Gefangene in nächster Zeit Todesstrafen beantragt, und es geht uns auch um all jene, die zu langen Haftstrafen verurteilt sind. Wir müssen sie alle retten. Wir kämpfen darum, daß es keine politischen Gefangenen mehr gibt und keine Diktatur“, sagte Silvia Aedo. time
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen