„Wir siegen uns zu Tode“

■ Curzio Malaparte: „Die Wolga entspringt in Europa“

Sabine Kebir

„Hier trifft das Abendland auf sich selbst, an seiner empfindlichsten und verwundbarsten Stelle. An der Stelle, an der der älteste und der modernste Geist Europas sich begegnen, sich messen, sich erproben.“

Für Antonio Gramsci war der 1898 bei Florenz als Sohn eines deutschen Vaters geborene Curzio Malaparte ein gewissenloser Intellektueller, der es vor allem verstand, sein Fähnchen nach dem Wind zu hängen: In einer Zeitschrift, „die den Titel 'Rassegna‘ (oder 'Rivista‘) 'Internazionale‘ trug, veröffentlichte er ein Kriegsbuch, Die Revolte der verdammten Heiligen, eine Preisung der angeblich defätistischen Haltung der italienischen Soldaten in Caporetto, die ... bei der nachfolgenden Edition im gegenteiligen Sinne korrigiert und dann aus dem Handel gezogen wurde... Sein wirklicher Name ist Kurt Erich Suckert, der gegen 1924 durch ein Wortspiel mit Bonaparte seine italienische Form Malaparte erhielt“, weil „die Wichtigtuerei mit dem ausländischen Namen ... an einem bestimmten Punkt mit den Anzeichen eines großmäuligen Rassismus und Talmi-Populismus zusammenstieß und deshalb durch das Pseudonym ersetzt wurde...“

Malaparte war 1922 in die faschistische Partei eingetreten, deren „linkem“ Flügel er angehörte. Zunächst hatte er auch an der Herstellung einer faschistischen Plattform für Intellektuelle sehr aktiv teilgenommen. Für Gramsci ist er nahezu die Verkörperung des faschistischen Populismus gewesen, der den Revolutionsbegriff usurpiert habe. „Revolutionär“ bedeute bei Malaparte „Aktivist“, „Interventionist“, „Voluntarist“, „dynamischer Typ“, „aber nur in dem Sinne, in dem das ganze Leben Revolution, Bewegung ist“. Für Malaparte scheint „die Bezeichnung 'Revolutionär‘ zu einem Kompliment geworden zu sein, wie es einmal 'Edelmann‘ war oder 'großer Ehrenmann‘ oder 'ein wirklicher Ehrenmann‘ ... nach 1848 nannten sich die Jesuiten selbst 'wirkliche Liberale‘, und die Liberalen nannten sie Libertinisten und Demagogen“. Der Schriftsteller und Journalist Malaparte bewahrte sich dem Faschismus gegenüber jedoch stets einen polemischen Unterton. So rühmte er sich, dem Duce nach einem langen Monolog lediglich damit geantwortet zu haben, daß seine Krawatte von ausgesuchter Geschmacklosigkeit sei. Er war Chefredakteur verschiedener Kulturzeitschriften, und 1929 leitete er die dem Besitzer der Fiat, Senator Agnelli, gehörende 'Stampa‘.

Diese schickte ihn als Reporter in die Sowjetunion, deren wirtschaftlicher Aufschwung ihn beeindruckte. Und weil er daraus keinen Hehl machte, wurde er von seinem Posten in der 'Stampa‘ entbunden. Eine erneute „Konversion“ begann, die indes Antonio Gramsci nicht mehr wahrgenommen hat. Daß sich ein Italiener damals von der Wirtschaftsentwicklung der Sowjetunion begeistern ließ, verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß Mussolini, der 1922 demagogisch erklärt hatte, eine der bolschewistischen ähnliche Revolution in Italien eingeleitet zu haben, sein Land nicht zu ökonomischem Fortschritt führen konnte: Das ohnehin niedrige Lebensniveau der Italiener stagnierte unter seiner Herrschaft, beziehungsweise sank sogar. Das Regime verlor schon gegen Ende der zwanziger Jahre erheblich an Popularität, und es konnte nicht annähernd dieselbe Kriegsbereitschaft erzeugen wie der deutsche Faschismus. Infolgedessen entstanden in Italien auch wesentlich günstigere Voraussetzungen für den antifaschistischen Kampf als in Deutschland.

Im Gefolge seiner Schwierigkeiten mit der 'Stampa‘ trat Malaparte aus der Partei aus und ging nach Frankreich, wo er Bücher über die Sowjetunion und Lenin veröffentlichte. 1933 nach Italien zurückgekehrt, wurde er wegen antifaschistischer Tätigkeit im Ausland zu fünf Jahren Verbannung auf der Insel Lipari verurteilt, von denen er jedoch nur ein Jahr absaß. 1941, zu Beginn des Rußlandfeldzuges, schickte ihn der 'Corriere della Sera‘ in den bessarabischen Abschnitt der ukrainischen Front als Kriegsberichterstatter auf deutscher und rumänischer Seite. Daß eine aus faschistischer Sicht mittlerweile so zwielichtige Gestalt wie Malaparte eine solche Mission überhaupt anvertraut werden konnte - was die persönliche Zusage von Mussolini erforderte -, lag an dem Schuß Liberalität, den sich der italienische Faschismus im Gegensatz zum deutschen bisweilen leistete. Auch Autonomiebestrebungen Mussolinis gegenüber den Deutschen können eine Rolle gespielt haben: Sie hatten den Bündnispartner weder informiert, als sie im August 1939 den Nichtangriffsvertrag mit der Sowjetunion abschlossen, noch, als sie ihr 1941 den Krieg erklärten. Dennoch mußten 200.000 italienische Soldaten mit in Hitlers Rußlandfeldzug ziehen, von denen nur 14.000 zurückkehrten. „Eine Arbeiterarmee versucht

eine andere Arbeiterarmee

zu vernichten“

Ein Kriegsberichterstatter, der die Gegenseite kennt und Sympathien für sie hegt, steckt in einer Gewissensklemme, aus der nur eine schmale Gratwanderung herausführt: Er beseitigt jegliches Parfüm von „Ideologie“ aus seiner Sprache und macht das Streben nach rein beschreibender Objektivität zu seinem Grundprinzip. Aus einer größtmöglichen Masse von Informationen sollen sich die Leser schließlich selbst eine Meinung bilden. Da ein solcher Stil uns heute generell als der einzig erträgliche überhaupt gilt, können Malapartes Kriegsreportagen als regelrechte Pilotleistung des modernen Journalismus gelten. Damit setzte er sich nicht nur von der faschistischen Kriegsdemagogie ab

-die im 'Corriere della Sera‘, für den er schrieb, nicht fehlte -, sondern auch von den Heldensagen, die in der Sowjetunion über den „Großen Vaterländischen Krieg“ geschrieben wurden. Malaparte selbst in seinem 1948 geschriebenen Nachwort zu einer Buchausgabe seiner Reportagen: „Über den russischen Krieg gibt es einige Bücher russischer Korrespondenten, und als bemerkenswertestes wohl das Buch von Konstantin Simonow Tage und Nächte in Stalingrad. Sie sind alle so von patriotischer Rhetorik durchtränkt, so sehr den Bedürfnissen der kommunistischen Propaganda untergeordnet, daß ihr objektiver und dokumentarischer Wert gleich Null ist. In diesen sowjetischen Kriegsbüchern gleichen die russischen Offiziere und Soldaten den Figuren aus der Bibliotheque rose der Comtesse de Segur...“

Die rein beschreibende Objektivität seines Stils hinderte Malaparte indes nicht daran, seinen Berichten ein einheitliches Grundmotiv zugrunde zu legen: Er schildert den Krieg als das gigantische Aufeinanderprallen zweier Arbeiterheere und legt damit den Lesern bereits seine Absurdität nahe. Zugleich gelingt es ihm durch diesen Schachzug, den Gegner nicht als „russischen“ oder gar „asiatischen Untermenschen“ zu zeichnen, sondern im Gegenteil, immer wieder auf die Transformation des „Mujiks“ zum modernen Industriearbeiter hinzuweisen, die das Sowjetsystem - gleichgültig, was man daran auszusetzen hatte - in der atemberaubenden Zeitspanne von nur zwei Jahrzehnten zustande gebracht hatte.

In einem seiner ersten Berichte, in denen Malaparte beschreibt, wie die Deutschen in das von der Sowjetunion erst ein Jahr zuvor annektierte Bessarabien einfallen, findet er, daß die Truppe, der er zugeteilt ist, nicht aussieht „wie Soldaten, die zum Kampf gehen, sondern wie Arbeiter, die an einer komplizierten und empfindlichen Maschine beschäftigt sind... Sie klettern auf die Kuppel ihrer Panzer, als sei es die eiserne Leiter Turbine, eines Dynamos, eines Dampfkessels. Ja, wirklich, sie scheinen eher Arbeiter bei ihrer Arbeit zu sein als Soldaten im Krieg.

Ihre Art sich zu bewegen, zu sprechen, zu gehen ist die von Arbeitern, nicht die von Soldaten. Die Verwundeten haben jenen festen, ein wenig aufgebrachten Gesichtsausdruck von Arbeitern, die bei einem Unglücksfall verletzt wurden...“ (19) Und: „Es war, als ob ein gewaltiges Kruppwerk, ein riesenhafter Essener Industriekonzern zum Angriff auf die Hügel um Zaicani, Sofroncani, Bratoseni angesetzt habe. Nicht ein Heer hatte ich vor meinen Blicken, sondern ein gigantisches Stahlwerk, mit der entsprechend starken Belegschaft von Fachkräften an der Arbeit, mit einer präzisen Arbeitsordnung...“ (32)

Einer der ersten russischen Gefangenen stellt sich als Arbeiter aus einem Kugellagerwerk der Stadt Gorki heraus. „Er betrachtete einige Soldaten, die die Zylinder eines Motors auseinandernehmen. Man sieht, daß auch er gerne an dem Motor arbeiten würde. Er wirft die Zigarette weg, nimmt sich die Mütze ab, kratzt sich am Kopf. Er wirkt wie ein Arbeitsloser.“ (37)

Das Gros der sowjetischen Truppen an diesem Frontabschnitt waren „Mongolen“, d.h. Männer aus Mittelasien. Malaparte beschrieb einige im Getreidefeld liegende tote Asiaten ebenfalls als „neue Menschen“ des Industriezeitalters: „Sie kämpfen nicht mehr über die Mähne des Pferdes gebückt, sondern über das Armaturenbrett mit den vielen Instrumenten gebeugt. Die 'Stachanows‘ des Stalin-Heeres, die 'Udarniks‘, echte Produkte der Piatiletki, der Fünfjahrespläne ... beweisen, daß sie der furchtbaren blutigen Konfrontierung mit dem Arbeiter-Soldaten des deutschen Heeres zu begegnen wissen.“ (43) Obwohl die deutsche Armee zu diesem Zeitpunkt noch blitzkriegartig vorankommt, weigert sich Malaparte, irgendeine Prognose des deutschen Endsiegs auszusprechen. Er „denkt vielmehr an den Irrtum all derer, die bei Beginn des Rußlandfeldzuges hofften ... daß der Zusammenbruch des Systems dem des Heeres vorausgehen würde.“ (44)

Malapartes Berichte von der ukrainischen Front erschienen in Italien nur wenig zensiert. So konnte Mißtrauen der Deutschen nicht ausbleiben, und im September 1941 wurde er auf Intervention von Goebbels hin aus dem Frontbereich ausgewiesen. Nach Italien zurückgekehrt, drohte ihm Mussolini mit erneuter Verbannung nach Lipari, ließ ihn aber nur vier Monate in Quarantäne versetzen. Inzwischen wendete sich die Kriegslage entscheidend. Nachdem das deutsche Heer sich vor Moskau geschlagen geben und nach Smolensk zurückziehen mußte und sich Malapartes Vorhersagen eines längeren Krieges mit ungewissem Ausgang zu bestätigen schienen, erreichte er es, erneut an die russische Front geschickt zu werden, wenn auch nicht zu deutschen Einheiten, sondern zu den finnischen Truppen, die vor dem blockierten Leningrad lagen. Die „Arbeiterfestung“

Auch hier sieht Malaparte zwei Arbeiterheere einander gegenüber. Er beschreibt sie diesmal jedoch nicht pauschalisierend als im Grunde fast auf demselben Stand angelangte industrielle Armee, sondern er versucht - fast in der Manier Max Webers - ihren Entwicklungsstand als historisch bestimmte, psychosoziale Haltung zu erfassen. Hier beweist er ein sicheres Gespür für die Bedeutung von demokratischen Strukturen, die die Finnen den Russen überlegen macht. Er erkennt bei allen Finnen „den Zug einer eindeutigen Tradition von Selbstverwaltung, sozialer Organisation und technischem Fortschritt“. Ein finnischer Arbeiter-Soldat macht den sowjetischen Gegnern „einen Vorwurf daraus ... sich auf Marx und Lenin zu berufen und dabei das absolute Unverständnis zu bekunden für den vielfältigen Nutzen, den das finnische Volk aus seiner sozialen Organisation gewonnen“ habe. Es sei „kein Volk von Kapitalisten“. Hier spürt Malaparte, „was hinter diesem finnischen Krieg gegen die Sowjetunion steht: das Bewußtsein zu kämpfen, nicht nur, um das Staatsgebiet zu verteidigen, sondern auch für ihre sozialen Errungenschaften, ihre Würde und Freiheit als Arbeiter“ (181). In Finnland herrsche eine „Arbeitermoral ... die sozial fortgeschrittener ist als die russische, individueller, differenzierter, deutlich stärker von Technik und Technisierung bestimmt“. (204)

Zwar stellte er fest, daß die „Arbeiter-Akropolis“ Leningrad nicht von trägen „Oblomows“ verteidigt werde, sondern von der „Blüte der sowjetischen Industriearbeiterschaft“, die er hier in Leningrad sogar in Dissens mit den bürokratisch verbrämten Verteidigungsanordnungen aus Moskau sieht. Aber das Gros der in finnische Gefangenschaft fallenden Frontsoldaten seien nunmehr schlecht ernährte, in ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung zurückgebliebene Siebzehnjährige, die aussahen „wie Kinder von vierzehn, von zwölf Jahren... Mit achtzehn Jahren hat sonst jeder normal entwickelte junge Mann, welcher Nation und welcher sozialen Schicht er auch immer angehören mag, seine Probleme seelischer und vernunftmäßiger Art. Diese sowjetischen Gefangenen, diese Kinder-Soldaten, haben keine anderen Probleme als materielle.“ Während die finnischen Soldaten, „auch die jüngsten ... vollkommen über die politische und militärische Situation ihres Landes unterrichtet“ seien, wüßten diese sowjetischen Jugendlichen „auch auf einfachste Fragen keine Antwort. Bei einer Frage, die sie nicht verstehen, füllen sich manchmal ihre Augen mit Tränen. Sie sind nichts als Kinder, im vollen Sinn des Wortes“ (148-149).

Auch hier vor Leningrad - das er von früheren Reisen her gut kennt - liefert Malaparte ergreifende Beschreibungen der vom Krieg zerstörten Landschaften und Menschen: Immer wieder Tote, seien sie nun im Feuer zerfetzt oder im Eis des Lagodasees eingefroren. Die Stadt überlebt den Winter, Malaparte beschreibt detailliert, wie es der Roten Armee gelingt, über das Eis einen geregelten Nachschub zustande zu bringen. Aber eine endgültige Entscheidung erlebt er hier nicht mehr mit, weil er nach Lappland versetzt wird. Als er einmal im Flugzeug über dem Frontgebiet aufsteigt, erblickt er da, wo die Stadt unter den Wolken liegt, „einen rosenroten Fleck, ein Rosenblatt, das auf der Route unserer Maschine trieb. Wie es im Nebel geschieht, daß das schwächer werdende Licht Kraft gewinnt und über unvorstellbare Entfernungen hinweg sich bricht, erschien uns das brennende Leningrad in seltsamer Nähe. Das Rosenblatt bewegte sich, rollte sich zusammen, es war als atme es...“ In welche Schublade

gehört Malaparte?

Es waren die italienischen Futuristen gewesen, die im Ersten Weltkrieg eine Tradition der Ästhetisierung des Krieges gründeten, in der Malapartes literarisch anspruchsvolle Reportagen durchaus auch zu verstehen sind. Freilich hat er die Ästhetisierung des Krieges, die bei den Futuristen mit seiner Verherrlichung als „Hygiene der Welt“ einherging, negativ gewendet. Diese formalen Gesichtspunkte und die konsequente Interpretation des modernen Soldaten als Industriearbeiter, die Malaparte selbst noch in der Tragödie der Gefangenen und Gefallenen aufrechterhält, hat Anziehungskraft auf Heiner Müller ausgeübt, in dessen Dramen ähnlich große Achsen wiederzufinden sind und der das Buch mit einem Vorwort versehen hat. Ist das nun die endgültige Heimholung des in der Linken zeitlebens als zwielichtige Figur geltenden Malaparte?

Maria Antonietta Macchiocchi, die in den fünfziger Jahren mit Malaparte befreundet war und ihn im Auftrage des von ihr geleiteten kommunistischen Wochenblatts 'Vie nuove‘ zu Reportagen nach China geschickt hatte, berichtete in ihrem 1974 in Paris-Vincennes organisierten Faschismusseminar über seine letzten Lebensjahre. Zwar hatte ihn Togliatti 1944 persönlich zu seinen Kriegsreportagen beglückwünscht, aber aufgrund einer breiten Gegenstimmung zu Malaparte in der IKP von der Veröffentlichung seiner China-Reportagen abgeraten. Malaparte erkrankte in China schwer und kam 1957 nach Italien nur als Sterbender zurück. In der Klinik soll der geborene Lutheraner nicht nur zum Katholizismus konvertiert sein, sondern von Togliatti selbst auch noch die Mitgliedskarte der kommunistischen Partei entgegengenommen haben: Sterben auf Italienisch. Ein Land, das sich mit Konvertiten immerhin etwas leichter tut als der Rest der Welt. Malaparte seinerseits hatte seine Villa der chinesischen Volksrepublik vermacht.

In seinem 1952 zur italienischen Buchausgabe der Kriegsreportagen geschriebenen Vorwort finden sich - in der neuen historischen Situation entstandene - heute noch merkwürdig klar- und weitsichtige Nachträge und Prognosen.

Hier der mir am wichtigsten scheinende Nachtrag. Zwar bekräftigte er noch einmal seine Grundthese, daß die Sowjetunion als Ganzes Asien entronnen und einen europäischen Entwicklungsweg eingeschlagen, d.h. sich aus der „Unterentwicklung“ emporgearbeitet habe. Während die deutschen Truppen auf die Wolga zu marschierten, hätten sich aber nichtrussische Truppen (Tartaren, Weißrussen, Kosaken, Kaukasier) in Massen ergeben und verlangt, in die Hitlersche Armee eingegliedert zu werden, um gegen die Bolschewiki zu kämpfen (258). Das bedeute, „daß der Kommunismus, wenigstens der in Rußland angewandte, als Idee nicht stark genug ist, um innerhalb der Union der Sowjetrepubliken die von den Russen jeweils nach Rasse, Religion, Sprache und Sitten unterschiedenen Völker zu verschmelzen“ (249).

Auch sah Malaparte nicht - wie die Linke seiner Zeit - eine mechanische Einheit von russischem und europäischem Proletariat, sondern erkannte durchaus die Unterschiede, die sich aus den demokratischen Traditionen des Abendlandes einerseits und den byzantinischen Traditionen Rußlands andererseits ergeben. Irgendwann sieht er eine Auseinandersetzung kommen „zwischen der proletarischen Demokratie Westeuropas und der proletarischen Diktatur Rußlands, zwischen der 'Arbeitermoral‘ Westeuropas und der 'Arbeitermoral‘ Sowjetrußlands“. (247) Hinter Malapartes veralteter Ausdrucksweise versteckt sich so etwas wie Gorbatschows Perestroika.

Antonio Gramsci: „Marxismus und Kultur“, Hamburg 1983/1987

Maria Antonietta Macchiocchi: „Elements pour une analyse du fascisme“, Band 2, Paris 1976