■ Wir lassen lesen: Vom Sky-Hook zur Affenschaukel
Basketball, weltweit häufiger gespielt als Fußball, führte hierzulande stets ein Mauerblümchendasein, was sich unter anderem darin ausdrückte, daß in den Programmen der Sportbuchverlage ein Werk über die größten Korbleger des Universums glatt fehlte. Der Auftritt der glamourösen US-amerikanischen Basketballmannschaft in Barcelona, die die Olympischen Spiele zu einer One- Team-Show degradierte, machte jedoch Namen wie Michael Jordan, Magic Johnson oder Charles Barkley auch im letzten Winkel Europas bekannt. Die Einschaltquoten der Übertragungen aus der amerikanischen Basketball-Liga NBA schossen nach oben, und das „Dream Team“ war es folglich auch, das Pate für das Buch „Supersport Basketball“ des Sportverlages stand.
Die schier unfehlbaren Goldmedaillengewinner von Barcelona sind auf den Seiten des bunten Bandes entsprechend allgegenwärtig. Ausgiebig werden ihre olympischen Heldentaten gefeiert und vor allem bildlich in Szene gesetzt. Auf den ersten Blick wirkt das Buch wie ein gigantischer Videoclip, eines jener NBA-Produkte, in denen ein Dunk den nächsten jagt, hektisch, atemlos, ohne dem Auge auch nur eine Zehntelsekunde Pause zum Blinzeln zu gewähren. Bilder über Bilder, nur die hämmernde Rockmusik, mit denen die Videos gemeinhin unterlegt sind, fehlt. Die Stille als letzte Bastion des Printmediums.
Schaut man jedoch genauer hin, entdeckt man inmitten der Fotoflut, oh Wunder, hin und wieder Texte, die sich bei der Lektüre als äußerst informativ und spannend herausstellen.
George Eddy, Fernsehjournalist und ehemaliger NBA- Spieler, schildert die Entwicklung des Basketballs von einer belächelten, krisengeschüttelten Sportart in den siebziger Jahren zum Kassenmagneten der Neunziger, mit zu 95 Prozent ausverkauften Hallen und einem Renommee, das den alten Nationalsportarten Baseball und Football den Rang abzulaufen droht.
Porträtiert werden in erster Linie die Spieler und die Teams, die für diesen Boom verantwortlich sind: die Los Angeles Lakers mit Kareem Abdul- Jabbar und Magic Johnson, die Boston Celtics mit Larry Bird, die Chicago Bulls sowie Michael Jordan und immer wieder Michael Jordan, der fast auf jeder Seite in irgendeiner abenteuerlichen Pose zu sehen ist.
Dies nicht nur beim Basketball, sondern auch beim Golf und beim Billard mit seinem „besten Freund“, wie er ihn nannte, seinem Vater, der vor einigen Wochen in Lumberton/ North Carolina einem Raubmord zum Opfer fiel.
Anekdotenreich wird die Geschichte der großen Klubs und ihrer Protagonisten ausgebreitet, wobei auch die älteren Semester wie der legendäre Wilt Chamberlain, der einmal 100 Punkte in einem Match schaffte, der wuchtige Bill Russell oder Bob Cousy, der in den fünfziger Jahren acht Spielzeiten hintereinander bester Paßspieler der Liga war, eine verdiente Würdigung erfahren. Ein weiteres Kapitel ist dem College-Basketball gewidmet, das in den USA mit ähnlicher Begeisterung verfolgt wird wie die NBA, zumal die Talente von den einzelnen Universitäten ihren Anhängern viel näher sind als die in der abgehobenen Welt des Profizirkus hausenden Superstars, Wesen aus Fleisch und Blut statt sagenumwobener Mediengeschöpfe.
Natürlich sind die Großen des College-Basketballs identisch mit den Großen der NBA, Jordan, Johnson, Bird, Abdul- Jabbar, der damals, vor seinem Übertritt zum Islam, noch Lew Alcindor hieß, oder Bill Walton, der Linksradikale und Grateful- Dead-Fan, bei dem die Boston Celtics, wenn sie später als Champions ins Weiße Haus eingeladen wurden, immer fürchteten, er könne sich danebenbenehmen. Ein Statistikteil vervollständigt das Werk, dessen Herz jedoch die hervorragenden Fotografien sind, denen es gelingt, die Intensität und Dynamik des Spiels auf das Hochglanzpapier zu übertragen. Da ist Magic Johnson beim No- look-Paß, Michael Jordan beim Dunking, Charles Barkley mit seiner Affenschaukel, Kareem Abdul-Jabbar beim Sky-Hook, das Duell der Giganten, Abdul- Jabbar (2,18 m) gegen Chamberlain (2,13 m), das Duell der Schlangenmenschen, Jordan gegen Clyde „The Glide“ Drexler, das Duell der Zauberer, Bird gegen Magic. Und vor allem das schönste aller Fotos: Lew Alcindor, wie er, mit einem niedlichen Doktorhütchen bekrönt und betreten dreinschauend, bei der Entgegennahme seines Universitätsdiploms turmhoch über seinen Studiengenossen ragt. Matti
George Eddy: „Supersport Basketball“, Sportverlag Berlin 1993, 112 Seiten, 134 Farbfotos, 39,80 DM, ISBN 3-328-00602-8
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