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Wir lassen lesenVon Huang-ti bis Romário

■ Geballte vier Pfund Fußball-Historie

Wenn es denn ein Standardwerk des Fußballs gibt, dann ist es die „Fußball-Weltgeschichte“, herausgegeben von Karl- Heinz Huba. Ein voluminöses, vierpfündiges Buch, klug, kenntnisreich und unterhaltsam geschrieben, reich bebildert und nunmehr in der 12. aktualisierten Auflage mit ausführlicher Würdigung der Weltmeisterschaft 1994 erhältlich.

Ergänzt durch einen ausführlichen Statistikteil und ein Fußball-Lexikon, werden sämtliche Weltmeisterschaften nebst Torschützenkönigen präsentiert, ebenso die Europameisterschaften und die Europapokalwettbewerbe. Es gibt Porträts der größten Spieler aller Zeiten vom Uruguayer Andrade über Pelé bis Maradona, auch wenn, dem eurozentristischen Ansatz des Werkes entsprechend, der Fußball anderer Erdteile ansonsten eher kurzgehalten wird. Immerhin tauchen Argentinien, Brasilien und Uruguay standesgemäß in der „Hall of Fame“ der „großen Fußballnationen“ auf, deren Kickerwesen jeweils eine detaillierte Analyse gewidmet ist.

Besonders das mit den Hunnen und dem chinesischen Kaiser Huang-ti, unter dem die ganze leidige Balltreterei im zweiten Jahrtausend v. Chr. angefangen haben soll, beginnende Kapitel „Fußball in drei Jahrtausenden“ und die daran anschließenden „Meilensteine der Fußball-Geschichte“ von 1846 bis 1994, die die Erfindung der Querlatte (1875) ebenso vermelden wie die erste Frauen- Weltmeisterschaft (1991), liefern eine Menge interessante und skurrile Informationen.

Erheblich dünner wird es in der neueren Neuzeit, denn auch in aktualisierter Form ist die „Fußball-Geschichte“ teilweise hoffnungslos veraltet und benötigt dringend eine Generalüberholung. Das beginnt mit der Einleitung, in der Karl-Heinz Rummenigge noch bei Inter Mailand kickt und als aktuelles Beispiel einer neuen Regel nicht etwa der untersagte Rückpaß oder drei Punkte pro Sieg angeführt werden, sondern das Verbot für den Torhüter, sich vor Ausführung eines Strafstoßes zu bewegen. Dieser Beitrag gehört komplett ersetzt, extrem runderneuerungsbedürftig ist das Kapitel über die großen Fußballnationen. Nach wie vor fehlt Frankreich, aber auch die anderen Beiträge dieser Rubrik dürsten, ebenso wie einzelne Spielerporträts, nach Ergänzung, auch wenn dabei in die Artikel verstorbener Autoren eingegriffen werden muß.

Es wirkt doch sehr verschnarcht, wenn im Abschnitt über Uruguay steht, daß es der „so oft bewunderte Nachbar Argentinien erst 1978 zu einem einzigen Titelgewinn gebracht hat“, wenn die Karriere Diego Maradonas Ende der 80er Jahre beim SSC Neapel endet und die Schilderung des afrikanischen Fußballs hoffnungslos der Zeit hinterherhinkt.

Sei's drum! Solange die definitive Aktualisierung der aktualisierten Auflage auf sich warten läßt, tut es das vorliegende Opus allemal. Matti Lieske

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