: „Wir investieren, andere kürzen“
taz-Chefredakteurin Bascha Mika zieht Bilanz eines erfolgreichen Jahres
taz: Frau Mika, wie viele Punkte auf einer Skala von 1 bis 10 hat die taz in diesem Jahr erreicht?
Bascha Mika: Mindestens acht.
Weil Sie noch ein Ziel brauchen?
Weil wir unser Ziel, schön, reich und berühmt zu werden, immer noch nicht ganz erreicht haben. Reich sind wir zum Beispiel noch nicht, obwohl wir in diesem Jahr gute Zahlen haben und fast eine schwarze Null schreiben.
Das ist der erste von acht Punkten, den die taz erreicht hat?
Das ist der erste. Gerade bei einer Unternehmensform wie der Genossenschaft und bei der chronischen Unterkapitalisierung der taz fallen eben schon geringe Schulden ins Gewicht.
Was sind die weiteren Punkte?
Wir haben versucht, die Zukunft der taz auf neue Beine zu stellen. Ein Bein ist: Wir investieren in unsere Lokalteile. Die überregionale Ausgabe können wir dadurch am besten stützen, indem wir die Regionalteile wie in Hamburg und Bremen stärken oder wie in Nordrhein-Westfalen mit einer seit Dezember täglichen Ausgabe aufbauen.
In Nordrhein-Westfalen sind ja schon andere Zeitungen gescheitert – wie die Süddeutsche Zeitung. Warum verbuchen Sie diesen zweiten Punkt schon auf Ihrem Konto?
Mit der neu gegründeten Entwicklungs KG haben wir es in nur sieben Monaten geschafft, eine Million Euro zu sammeln, die wir unter anderem in den täglichen NRW-Lokalteil investieren. Das ist enorm und übrigens der dritte Punkt in der Zehner-Skala.
Verbucht als KG-Punkt.
Parallel zum Start der Entwicklungs KG, das ist Punkt vier, haben wir auch die Genossenschaft ausbauen können – mit 394 Neugenossen, 153 Aufstockern und 402.000 Euro neuem Kapital. Das ist ein großer Erfolg.
Ist die taz ein normales Unternehmen geworden und nicht mehr diese alternative, kleine Tageszeitung?
Nein, überhaupt nicht. Wir wollen ja nicht unsere Wurzeln kappen. Wobei es nicht zu unseren Wurzeln gehören sollte, immer zu wenig Geld zu haben. Nach wie vor müssen wir mit jedem Cent rechnen und haben für Investitionen nur wenig Kapital zur Verfügung. Aber im Gegensatz zu anderen Zeitungen, wenn Sie so wollen, der Punkt fünf der Skala, investieren wir überhaupt. Die anderen Zeitungen dünnen ihre Redaktionen aus, stellen Supplements ein, kürzen in großem Maße Seiten. Wir dagegen entwickeln die Zeitung weiter.
Sie meinen „tazzwei“, Ihr sechster Punkt?
Ja. Die taz hat sich erstmals seit Jahren intensiv dem zweiten Buch der Zeitung gewidmet – und nach viel Arbeit und Diskussionen „tazzwei“ gestartet.
Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet die taz die Zeitungskrise so schadlos übersteht?
Die taz ist für solche Krisen besser gerüstet als andere überregionale Zeitungen. Wir haben uns nie darauf verlassen, von Anzeigenerlösen leben zu können. In einer Zeit, in der diese Erlöse eingebrochen sind, ist das Konzept, sich über die Verkaufserlöse im Abo oder am Kiosk zu finanzieren, genau das richtige. Es ist ein solides Standbein: Wir leben von unserem journalistischen Produkt. Das wird auch die Zukunft aller Qualitätszeitungen sein.
Ist die konstant hohe Abonnentenzahl Ihr siebter Punkt?
Ja. Die gute Aboentwicklung hat zum einen damit zu tun, dass wir nicht aufhören, das Produkt weiterzuentwickeln, zum anderen aber auch mit den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Die taz will ihre LeserInnen nicht bevormunden, aber ihnen Orientierungshilfen anbieten. Wenn sich die Gesellschaft wie in diesen Zeiten in einem radikalen Umbruch befindet, ist eine linke Stimme unverzichtbar.
Frau Mika, in Ihrer Punktevergabe fehlt noch einer.
Kein Problem. Sonderprojekte wie die Grand-Prix-Teilnahme oder die „feindliche Übernahme“ mit der „Kohl-taz“.
Mit welchen Themen wollen Sie 2004 die restlichen Punkte holen?
Neben dem großen Thema Gerechtigkeit, Fragen der Globalisierung und Folgen des Kampfes gegen den Terror sollten wir uns mit dem Thema Frauen beschäftigen. Dieses Querschnittsthema hatte für die taz immer eine besondere Bedeutung.
Und der letzte Punkt für die zehn?
Ach, einen Punkt lassen wir uns auch im nächsten Jahr noch offen.