: „Wir fühlen uns vom Offensivgeist beseelt“
■ Im Keller des Bonner Presseclubs war die wichtigste Frage, was das niedersächsische Ergebnis über den Trend in der ganzen Republik aussagt
Bonn (taz) – Als die erste Hochrechnung über die Kanäle kommt, die die FDP unter der Fünfprozenthürde sieht, ist die Spannung beim Bonner Wahlabend der Bündnisgrünen eigentlich schon vorbei: Alle sitzen an den Tischen und essen. Es dauert also einen Moment, bis im Keller des Bonner Presseclubs klar wird, daß sich in die Freude über die grünen Zugewinne in Niedersachsen nun doch ein Wermutstropfen mischt. Wenn die FDP herausfällt, hat die SPD die absolute Mehrheit der Sitze und braucht den grünen Koalitionspartner nicht mehr. „Optimal“, hatte die nordrhein-westfälische Bundestagskandidatin Michaele Hustedt fünf Minuten vorher kommentiert; jetzt nimmt sie es zurück. Doch unter den grünen Spitzenpolitikern – darunter Bundessprecher Ludger Volmer und Bundesgeschäftsführerin Heide Rühle – bleibt die Stimmung auch nach der zweiten Hochrechnung im Grunde positiv.
Ludger Volmer hält es nicht für ein Debakel, wenn die Grünen nur deshalb aus der Koalition fliegen, „weil ein Zufallseffekt in die Koalitionsbildung hineinspielt“. Das Wahlergebnis in Hannover beweise, wie er schon früher am Abend erklärt hat, daß sich die hartnäckige Arbeit in der Koalition gelohnt habe. Die bundespolitischen Folgen hält er, sieht man von den Stimmen Niedersachsens im Bundesrat ab, nicht für negativ. „Wir haben nachgewiesen, daß wir genügend politisches Gewicht mitbringen, um auf Bundesebene zu regieren.“ Es sei wohl auch kaum anzunehmen, daß die SPD auf Bundesebene eine absolute Mehrheit bekommen könnte.
Die erste Prognose, die ersten Hochrechnungen hatten allgemeine Zufriedenheit ausgelöst. Zwischen sechs und sieben Prozent hatte die Spitzenkandidatin für das Europaparlament, Claudia Roth, vor sechs Uhr als ihre persönliche Prognose ausgegeben. Ludger Volmers Tip: 6,8. Die Hoffnungen waren vorsichtshalber hinter den allzu optimistischen Umfragen zurückgeblieben. Volmers Kommentar traf die allgemeine Stimmung: „Ein hervorragendes Ergebnis“.
Im Keller des Bonner Presseclubs war die wichtigste Frage, was das niedersächsische Ergebnis über den Trend für die ganze Republik sagt. Ob zum Beispiel der Mannheimer Parteitag vor zwei Wochen dem Ergebnis zu- oder abträglich sein würde, war in den Tagen vor der Wahl ein leises Thema. Die Hochrechnungen, die die Grünen bis, bei oder über sieben Prozent ausmachten, erübrigten diese Fragen. Ein Zeichen, „daß der Bundestrend für uns stimmt“, so Volmer. „Wir fühlen uns von Offensivgeist beseelt.“
Kurz vor halb sieben, als die Grünen noch in der Regierung ausgemacht wurden und deutlich über sieben Prozent lagen, klang der Bundessprecher aber auch gedämpft. „Wann gibt's den Sekt?“ hatte ein Journalist gefragt. Volmer darauf: „Nie hoffärtig werden.“
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