■ Wir dokumentieren den offenen Brief der Lufthansa-Personalvertretung an Wallraff und die Reaktionen des "Committee for the Defence of Salman Rushdie": Kein Bordservice für Salman Rushdie
Wir dokumentieren den offenen Brief der Lufthansa-Personalvertretung an Wallraff und die Reaktionen des „Committee for the Defence of Salman Rushdie“
Kein Bordservice für Salman Rushdie
Der Brief der Lufthansa- Personalvertretung (siehe unten) hat bei Salman Rushdie und dem „Committee for the Defence of Salman Rushdie“ in London, das seine Reisen organisiert, Entsetzen ausgelöst. „So ein dummer Brief!“, sagt Carmel Bedford, die Vorsitzende des Komites, „nach diesem Brief würde ich schon als ganz normaler Passagier nicht mehr mit Lufthansa fliegen. Das eigene Personal untergräbt da das Vertrauen in die Sicherheit seiner Fluggesellschaft!“ Carmel Bedford wirft den Unterzeichnern des Briefs vor, mehrere falsche Behauptungen aufzustellen. „Angeblich soll uns die Lufthansa einmal ein Schulflugzeug angeboten haben. Das hören wir zum erstenmal! Unseres Wissens ist die Lufthansa nie auf uns zugetreten. Übrigens ist da etwas heuchlerisch in dem Brief: Wenn sie schreiben, daß Rushdie ein Sicherheitsproblem darstellt – warum sollte das dann nicht für die Schulflugzeuge gelten?“ Auch die Behauptung, daß sich die Airlines KLM, SAS und British Airways weigern, Rushdie zu transportieren, sei falsch. „Wir sind schon mit Airlines geflogen, die in dieser Reihe genannt sind.“ Wegen der vereinbarten Geheimhaltung könne sie aber keine Namen nennen – auf Nachfrage der taz bei KLM in den Niederlanden und SAS in Schweden wurde ebenfalls keine Auskunft gegeben. Die British Airways ist die einzige Airline neben der Lufthansa, die öffentlich erklärt hat, daß sie Rushdie nicht befördert. „Mindestens zwölf Fluggesellschaften haben Salman Rushdie bereits transportiert“, erklärt Bedford weiter, „und bei keinem dieser Flüge sind Sicherheitsprobleme aufgetreten.
Daß nur die Air France Salman Rushdie auch erklärtermaßen befördert, bedauert Bedford. „Wir haben nie von einem politischen Druck gehört, der hier auf die Air France ausgeübt wurde“, antwortet sie auf die Behauptung des Briefs, die Air France sei gezwungen worden, Rushdie zu befördern. Dem stimmt auch der Pressesprecher der Air France Deutschland, Wolfgang Haeg, zu: „Von Zwang kann keine Rede sein. Wir transportieren Rushdie, das ist klar, und machen keine große Reklame drum. Die Sicherheitsmaßnahmen müssen stimmen, wie bei jedem anderen Passagier auch, dann sehen wir keinen Grund, Rushdie nicht mitzunehmen.“
Für die Ängste des Lufthansa- Personals hat Bedford kein Verständnis: „Natürlich, ich weiß: Nach dem Lockerbie-Desaster zeigen viele Leute mit dem Finger auf Deutschland, das sich damals als schwacher Punkt im Sicherheitssystem erwiesen hat. Aber diese Probleme sind doch wohl beseitigt?“ Experten der britischen Regierung hätten mehreren Airlines dargelegt, daß bei der Beförderung Rushdies keine Risiken bestehen. „Die Lufthansa weigert sich, Salman Rushdie mitzunehmen. Bei wem weigert sie sich noch? Weigert sie sich, Mitglieder der iranischen Regierung zu befördern? Ist Rushdie der einzige?“ Die Hoffnung auf einen Sinneswandel der Lufthansa will Carmel Bedford nicht aufgeben. „Der Brief klingt wie das letzte Manöver des bedrängten Lufthansa-Managements, das sich jetzt Hilfe beim Personal sucht.“ Sie setze weiterhin Vertrauen in Wallraffs Kampagne und in die deutschen Politiker. „Als wir im November in Brüssel Außenminister Kinkel und seine EU-Kollegen trafen, war Kinkel sichtlich verlegen über die Politik der Lufthansa und hat sich bei Rushdie dafür entschuldigt. Er hat uns versichert, daß er bei der Lufthansa vorstellig geworden ist, um sie von dieser Politik abzubringen. Sein griechischer Kollege sagte uns einfach: 'Herr Rushdie, Olympic Airlines würde sich glücklich schätzen, sie an Bord zu begrüßen‘, und Kinkel lobte die Air France für ihre offene Politik.“ Thierry Chervel
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