Wintertagebuch (3):
Schuberts „Winterreise“ im Gepäck, mache ich mich auf zu einer poetischen Umrundung des Müggelsees. Vom Himmel kommt Regen, der eigentlich Schnee sein sollte; das Wetter ist für Dezember zu mild, und mild ist die kleine Schwester von mittelmäßig.
„Wann wird’s mal wieder richtig Winter, ein Winter, wie er früher einmal war?“, rezitiere ich einen beliebten Gassenhauer meiner Kindheit und skandiere: „Ich brauche Eis und Schnee, sonst wird’s nichts mit meiner Winter-Ode (langes e)“. Ohne tiefgekühlte Herzen und Frostbeulen an der Seele hätten Schubert und Müller niemals die „Winterreise“ hinbekommen: „Das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Schnee.“ Ehe ich den Kopf in den See stecke, begehe ich einen künstlerischen Tabubruch und fotografiere Schwäne; als Motiv beinahe so verpönt wie Sonnenuntergänge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen