Winterfrost: Rutschpartie auf allen Wegen
Während die Hauptverkehrsstraßen geräumt sind und für Autos weitgehend freie Fahrt herrscht, verletzten sich mehr und mehr Fußgänger durch schwere Stürze.
Hamburgs Notfallaufnahmen haben derzeit Hochkonjunktur. Seit durch die am Donnerstag einsetzende Frostperiode der getaute Schneebelag gefror, erinnern viele Straßen und Wege an eine Eisbahn und laden zu Schlitterpartien ein. "Unsere Unfallchirurgen haben viel zu tun", sagt Jens Bonnet, Sprecher der Hamburger Asklepios Kliniken.
Besonders in den Krankenhäusern in Wandsbek und St. Georg sei die Zahl der eisbedingten Unfallpatienten in den vergangenen Tagen "dramatisch in die Höhe" geschnellt. "In St. Georg wurde teilweise bis in die Nacht hinein operiert", berichtet Bonnet - eine solche Situation habe es seit dem letzten Alstervergnügen 1997 nicht mehr gegeben. Besonders auffällig sei, sagt der Sprecher, dass wir "viele schwere Verletzungen reinbekommen". Statt der sonst nach einem Ausrutscher üblichen Prellungen hätten die Ärzte nun vermehrt Knochenbrüche, Schulterfrakturen und Sprunggelenksverletzungen zu behandeln.
Obwohl der strenge Frost schon mehrere Tage anhält - und wohl noch bis Mittwoch andauern wird - sind viele Wege und Straßen nicht geräumt oder gestreut. Für eisfreie Fahrbahnen ist die Stadtreinigung als Dienstleister zuständig. Sie hat allerdings nur den Auftrag die Hauptverkehrsadern befahrbar zu halten. Das sind rund 3.200 Kilometer Straßennetz, das weitgehend den Fahrtwegen der Buslinien entspricht, sagt Reinhard Fiedler, Sprecher der Stadtreinigung. Während kleine Wohnstraßen ungeräumt blieben, seien für die Gehwege grundsätzlich die Anwohner zuständig.
Dabei spiele es keine Rolle, ob sie alt, krank oder verreist sind. Wer nicht selbst räumen und streuen kann, muss jemanden dafür bezahlen. Denn der Schnee muss sofort nach Ende des Schneefalls geräumt und Glätte unmittelbar nach Eintritt abgestreut werden. Schneit es nach acht Uhr Abends, hat man bis halb neun am nächsten Morgen Zeit, sich um die Beseitigung der Gefahr zu kümmern. Am Wochenende verlängert sich diese Zeit bis halb zehn.
Nur wenn es keine Anwohner gibt, wie zum Beispiel bei Brücken oder vor Parks, müssten die Bezirke dafür sorgen, dass geräumt wird - und zwar mit Sand und Splitt. Sowohl den Bezirken als auch Privatpersonen ist es verboten, Salz zu streuen. Lediglich auf den Straßen, die die Stadtreinigung räumt, werde mit Salz gestreut. Das sei zu verantworten, weil die Streuwagen so gut koordiniert das Salz auf die Straßen streuen, dass es "nicht zu den Bäumen gelangen und diese schädigen kann", erklärt Fiedler. Und noch eine weitere Ausnahme gibt es: Salz darf auch auf privaten Grundstücken gestreut werden. "Wer den Weg zwischen seinem Haus und der Gartenhütte mit Salz streuen möchte, der darf das tun", sagt Volker Dumann, Pressesprecher der Stadt Hamburg.
Davon rät Paul Schmid vom BUND jedoch dringend ab: Das Salz schädige die Pflanzen und Bäume massiv. Anders als auf der Straße wo es in die Kanalisation gespült werde, sickere es im Garten sofort in den Boden. Er fordert daher ein Totalverbot der Streusalzanwendung: "In Berlin ist es verboten, Streusalz zu nutzen. Es kann nicht sein, dass der rote Senat in Berlin besser ist, als der grüne in Hamburg."
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